Die taz nrw groß machen

Aufsichtsrat Hermann-Josef Tenhagen kommt vom Niederrhein. Die taz nrw ist für ihn eine Zeitung für CDU-Arbeiterführer, SPD-Strombosse und grüne Oberbürgermeister – aber nicht nur für sie

1982, ich hatte gerade Abitur gemacht, ist mir die erste taz in die Hände gefallen. Einer dieser Rotwein trinkenden Lehrer hatte sie mit in das Nonnenkloster gebracht, in dem ich Zivildienst leistete. Ich arbeitete im Kloster als Junge für alles, Weineinkäufer für Studienräte, Ruderjunge und Reiseführer für Renterinnen in Seniorenfreizeit, Fledermausfänger – und Tor zur Welt für Schwester Christa, die wegen ihrer dicken Brille nicht mehr selbstständig in die Kreisstadt kommen konnte, für die ich deshalb im Rucksack immer neue Bildbände von Picasso bis Chagall aus der Stadtbücherei anschleppte.

Interessant war sie schon, diese taz. Mit ihrer anderen Sprache, ihrer anderen Nachrichtenauswahl. Und doch, in dieser kleinen idyllischen Welt wirkte die taz 1982 wie ein Fremdkörper. Was heißt wirkte, genau das wollte sie offenbar sein. Waffen für El Salvador statt Schulprojekte für Sumatra, obskure Diskussionen zwischen Hausbesetzerfraktionen statt Hilfe für Kriegsdienstverweigerer. Ich dachte, die sind ja vorsichtshalber in Berlin ...

Vier Jahre später zog ich selbst nach Berlin. Und entdeckte eine andere taz. Die Servicezeitung für den linken Lebenszusammenhang. Unsere taz in der WG war nicht nur die Zeitung, die am hellsichtigsten und ausführlichsten über Tschernobyl berichtete. Sie war auch das Blatt, mit dem ich meinen politischen Abend, sei es im Anti-Atomforum oder beim Jazzkonzert in einem der Berliner Ballhäuser, planen konnte.

Für meinen Wunschtraum, Leben und Arbeiten zu vereinen, hat es zwar im ersten Anlauf nicht ganz gereicht, Schwanzträger waren als Praktikanten gerade mal wieder nicht erwünscht, als sich Tenhagen bewarb. Aber dieser Eindruck, unsere Zeitung könnte Ausdruck eines in den eigenen Kreisen geteilten Lebensgefühls sein, machte die taz trotzdem weiterhin ungeheuer anziehend.

Die Zeitung für das Lebensgefühl einer linken, gesellschaftlich engagierten – vielleicht sogar – Mehrheit, das muss doch auch zwischen Rhein und Weser möglich sein. So links wie die Fischköpfe in Bremen und Hamburg denken die Proleten im Ruhrpott allemal. Und undogmatischer als die Norddeutschen und die Berliner sind Kölner und sogar die Münsteraner obendrein, dachte ich mir, als wir vor zehn Jahren die ersten Pläne für eine taz in NRW schmiedeten. Dazu kam die reine Not. Es gab in diesem bevölkerungsreichsten Bundesland weltbestes Theater aus Bochum, weltbeste Kunst und fortgeschrittenes Fernsehen aus Köln, mehr Universitäten als an den Fingern meiner Hände, aber keine Tageszeitung für dieses Lebensgefühl. Das hat sich vor drei Jahren grundlegend geändert. Nicht nur Udo Lindenberg, Campino und Helge Schneider kommen heute aus NRW, nicht nur Aldi und Tengelmann und Manufaktum, nicht nur Miele, Dr. Oetker und Jürgen Rüttgers. Auch die tägliche taz. Jetzt haben wir sie, endlich.

Jetzt hat auch der Arbeiterführer in der CDU endlich ein Organ, mit dem er sich an die linken Massen wenden kann. Und all die Sozialdemokraten in den Spitzen der Strom- und Kohlekonzerne haben eine Zeitung, die ihre Parteibasis erst lesen und dann ihr Handeln verstehen kann. Nicht zu vergessen hat Reinhard Loske, seit neuestem der beliebteste Grüne in der Partei, eine Zeitung, mit der die grünen Leserinnen und Lesern der taz endlich den ersten grünen OB an Rhein und Ruhr anstreben können. Sie sehen, Politik ist spannend wie lange nicht im Westen. Unsere taz bietet ihnen die Zeitung dazu. Kaufen Sie sie, machen Sie sie groß. Herzlichen Glückwunsch taz nrw.HERMANN-JOSEF TENHAGEN, taz-Aufsichtsrat

Fotohinweis: HERMANN-JOSEF TENHAGEN (43) ist taz-Aufsichtstrat. Der Finanztest-Chefredakteur lebt in Berlin und wurde in Wesel geboren