Bitte nicht gewöhnlich

Eine handgemachte Gitarre von Karsten Schnoor ist zugegebenermaßen ein eher exklusives Geschenk. Aber eines fürs Leben. Es sei denn, der Alkohol oder ein kleines Kind kommen dazwischen

VON LISA THORMÄHLEN

Karsten Schnoor mag keinen Mainstream. Popmusik hat ihn nie interessiert. Mit 14 hörten seine Freunde die Beatles, Karsten Schnoor bekam sein erstes Banjo. Mit 16 hatte er mehr Erfolg mit seiner Band als in der Schule. Mit 25 baute er sein erstes eigenes Instrument. Heute hat er zwei Berufe. Er ist Musiker und Gitarrenbauer.

Seine kleine Werkstatt an der Elbe teilt er mit einem Tischler. Die Maschinen nutzen sie gemeinsam, das ist billiger. Verschwendung kann sich hier niemand leisten. Die Wände sind aus rohem Beton, einige Fensterscheiben gesprungen. Im hinteren Teil des Raumes stapeln sich Holz und hunderte Kästchen mit Kleinteilen. Mittendrin steht Karsten Schnoor mit blauem Wollpulli und langem weißen Zopf. 61 ist er, seit zwei Jahren ist das Gitarrenbauen sein Hauptberuf. Er zeigt auf eine frisch lackierte Gitarre, die auf einem Stück Zeitungspapier trocknet. Der Lack bringt das edle Holz zum Glänzen. „Das ist eine Lap Steel Gitarre. Die baue ich für einen Freund.“ Lap Steel Gitarren werden häufig von Blues- und Jazzmusikern verwendet. Sie sind kleiner als klassische Konzertgitarren und werden mit einem Metallstab gespielt.

Karsten Schnoor ist Autodidakt. Als er sein erstes Banjo baute, gab es ein einziges Buch über Gitarrenbau. Sein Wissen über Material und Werkzeug hat er von Handwerkern und Holzwissenschaftlern. Den Bau der verschiedenen Gitarrentypen und Banjos kennt er durch jahrelanges Ausprobieren. Diese Ausdauer wundert ihn selbst, denn: „In Werken hatte ich immer eine sechs. Mich hat das nie interessiert“, erzählt er.

Trotzdem setzte er sich damals an den Küchentisch seiner WG und baute sein erstes Instrument. „Ich konnte mir damals kein Banjo leisten, das mich zufrieden stellte, deshalb wollte ich mir ein eigenes bauen.“ Ein Instrument aus dem Musikgeschäft diente Schnoor als Vorlage. „Mein Ergebnis sah fürchterlich aus, aber es klang gut“, sagt er. So gut, dass ein Freund auch eins wollte. Weitere Aufträge aus der Banjo-Szene folgten – einer Szene, die mittlerweile am Aussterben ist. „Meine Kunden sind die Gymnasiasten der 50er Jahre“, sagt Schnoor, „es gibt keinen Nachwuchs.“

Schnoor baut deshalb heute vor allem Gitarren für Sammler und Profimusiker, eine Klientel mit besonderen Ansprüchen, um die sich die großen Firmen nicht kümmern. Dass seine Kunden immer älter werden, ist für ihn manchmal sogar ein Vorteil. Viele bekommen durch die einseitige Belastung der Gelenke Arthritis. Für einen Kunden hat Schnoor deshalb eine Gitarre mit verändertem Hals gebaut, so dass der Musiker schmerzfrei spielen kann. Das Wissen dazu hat er von einem Orthopäden.

Karsten Schnoor behauptet, jeden handwerklichen Fehler gemacht zu haben, den er in seiner Branche überhaupt machen konnte. „Grobe Fehler kann ich meistens auch nicht mehr korrigieren“, sagt er. Eine Gitarre muss er zuerst fertig bauen und lackieren, bevor er merkt, ob sie etwas taugt. „Leider kann man nicht zwischendurch ausprobieren, wie sie klingt, jeder Schritt beeinflusst den Klang.“

Gitarrenbauen braucht viel Geduld und eine hohe Frustrationsgrenze. Das seien eigentlich gar nicht seine Stärken, sagt Schnoor. Erst durch die Arbeit habe er das gelernt. „Ich will im Ergebnis gute Instrumente haben, deshalb macht es mir Spaß. Ich hab auch mal ein Bett gebaut, das habe ich gehasst.“ Er streicht leicht über eine Gitarre, an der er arbeitet. Schwer vorstellbar, dass Karsten Schnoor fehlerhafte Instrumente schräg an die Wand lehnt und zertritt. „Da bin ich unsentimental“, sagt er, „eine Gitarre soll nicht nur gut aussehen, sie soll auch gut klingen.“

Die persönliche Note bekommen die Gitarren durch Verzierungen aus Perlmutt. Hals und Kopf der Instrumente tragen zum Beispiel Ornamente oder die Initialen des Musikers. Er habe auch mal den Umriss von Huckleberry Finn in ein Banjo eingearbeitet, erzählt Schnoor. „In erster Linie ist eine Gitarre aber ein Werkzeug“, fügt er hinzu. Die Dekoration darf die Spielweise nicht beeinträchtigen.„Form follows function“, nennt er das. Wenn der Schmuck hinzu kommt, wird aus dem Werkzeug ein Luxusartikel. „Ich könnte mir meine Instrumente nicht leisten.“ Er lacht.

Vom Gitarrenbau alleine kann Karsten Schnoor nicht leben. Einen großen Teil seines Einkommens verdient er mit der Restaurierung. Sehr häufig würden Instrumente aus Versehen beschädigt. „Meine größten Auftraggeber sind Besoffene und Kinder.“

Manchmal kommt Karsten Schnoor durch seinen Beruf an echte Schätze. Zum Beispiel an eine Gitarre der renommierten Marke Gibson aus dem Jahr 1928. Ein reichlich lädierter Schatz zwar, doch Karsten Schnoor hatte noch Glück. Die Gitarre hat einen Sturz aus einem Fenster im dritten Stock hinter sich. Sie ist in einem Busch gelandet. „Sonst wäre sie jetzt nicht mehr zu retten“, sagt Schnoor. Ein Ehestreit war in diesem Fall gut für sein Geschäft. „Die Frau war sauer auf ihren Mann und hat seine Lieblingsgitarre aus dem Fenster geworfen.“ Karsten Schnoor wird das Instrument restaurieren.

Als Musiker war er lange Zeit unterwegs. Ein Jahr hat er zum Beispiel mit seiner Ukulele in der Südsee verbracht. Dort hat er sich abends am Strand mit einheimischen Musikern getroffen, sie haben gemeinsam musiziert. „Wir haben uns gegenseitig neue Musikstile beigebracht und nächtelang gespielt“, erzählt er. Jetzt will er wieder los, mit 61. Nicht nur die Musik, die er macht, auch Karsten Schnoor selbst ist weit entfernt vom Mainstream.

Die Gitarren von Karsten Schnoor sind anzusehen im Internet unter www.karstenschnoor.com