Hamburg anders sehen

Zwei Fotografen haben Hamburg jenseits der Tourismus-Prospekte entdeckt und zwischen Buchdeckel gepackt

„Alles zum Hälfte“ wirbt ein Geschäft im Schanzenviertel. Das Hamburger Rathaus spiegelt sich im Heck eines edlen Wagens. In der Mönckebergstraße reihen sich die Stadtrundfahrtbusse aneinander. Der Bildband „Täglich Hamburg“ zeigt ungewöhnliche Motive. Die Fotografen Nicole Keller und Oliver Schumacher fotografierten nicht die üblichen Postkartenansichten von Elbe, Alster und Michel. Mit ihren Fotos erzählen sie Geschichten. An die letzte Wahl erinnert beispielsweise ein überquellender Mülleimer im Schanzenviertel: „Ihre NPD-Stimme bitte hier einwerfen“, empfiehlt ein Aufkleber.

Immer wieder finden die Fotografen die Titel zu ihren Fotos in der Stadt. Plakate, Hinweis- und Werbeschilder liefern den Text zu den Bildern. Ein Geschäft namens „Kummer“ wird so unfreiwillig zum Statement für den Verfall der Häuser ringsum. Ein Schild vor einem haltenden ICE am Bahnhof Altona warnt: „Nicht aufhalten“.

Nicole Keller und Oliver Schumacher wollen den Betrachter anregen, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen. Viele ihrer Fotos zeigen Szenen, die leicht übersehen werden. Auf dem Fischmarkt stehen zum Beispiel zwei vergessene Einkaufstüten. Dahinter fordert zufällig ein Transparent auf: „Greifen Sie zu!“

Die Fotografen haben selbst vergeblich nach einem solchen Bildband gesucht. Im März 2006 haben sie schließlich einen eigenen herausgebracht. Wer sich ihre Impressionen ins Haus holen will, kann auch großformatige Fotoprints bestellen.

„Tollerort“ grüßt der gleichnamige Terminal in Steinwerder den Betrachter auf der ersten Seite ihres Buches. Am Ende des Bildbandes ist man bereit, ihnen das zu glauben. Lisa Thormählen

Nicole Keller und Oliver Schumacher: „Täglich Hamburg“, Junius Verlag, 196 Seiten, 19,90 Euro