Junge Stimmen für alte Gesichter

KOSOVO Am Sonntag finden Parlamentswahlen statt. Die Demokratische Partei von Premier Hashim Thaci liegt laut Umfragen vorn. Er verspricht 50.000 neue Arbeitsplätze

Die Jugendarbeitslosigkeit in Kosovo hat dramatische 80 Prozent erreicht

VON ERICH RATHFELDER

SARAJEVO taz | Im Kosovo finden am kommenden Sonntag vorgezogene Parlamentswahlen statt. Über 30 Parteien und Parteienbündnisse kämpfen um die Stimmen von 1,8 Millionen Wahlberechtigten. Angesichts der jüngsten Bevölkerung Europas werden zwar über 200.000 Erstwähler an die Urnen gehen. Doch durchsetzen werden sich voraussichtlich wieder die bekannten Gesichter.

Nach Umfragen liegt der bisherige Ministerpräsident Hashim Thaci von der Demokratischen Partei Kosova (PDK) vor seinem Mitkonkurrenten Isa Mustafa von der Demokratischen Liga (LDK). Drittstärkste Kraft wird voraussichtlich die Partei Selbstbestimmung (Vetevendosje) des ehemaligen Studentenführers Albin Kurti.

Dennoch liegt auch etwas Spannung in der Luft. Denn der Wahlbetrug von 2010 wird so nicht wiederholt werden können. Damals stimmten in manchen Wahlbezirken 120 Prozent der Wahlberechtigten ab. Jetzt werden viele Wahlbeobachter der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft die Wahlen überprüfen.

Bei regulären Wahlen könnten sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien zumindest regional verschieben. Kosovo, das seit 2008 von Serbien unabhängig ist, wird zu 90 Prozent von Albanern bewohnt. Die Minderheiten der Serben, Goranen (serbische Muslime), Bosniaken und Roma hatten 20 garantierte Mandate in dem 120 Sitze umfassenden Parlament. Bei diesen Wahlen werden die Sitze nach den abgegebenen Stimmen verteilt. Nur bei einer hohen Wahlbeteiligung können die Minderheiten mit einer angemessenen Repräsentanz rechnen.

Doch vor allem die serbische Minderheit, die rund 120.000 Menschen umfasst, tut sich schwer damit. Die meisten Serben wollen die Unabhängigkeit des Landes von Serbien nach wie vor nicht akzeptieren und deshalb nicht wählen gehen. Doch die Führung Serbiens fordert dies, weil andernfalls die Verhandlungen Serbiens mit Brüssel über die Aufnahme des Landes in die EU belastet würden.

Bei den Albanern stehen die wirtschaftlichen Probleme an erster Stelle. Das Land hat wohl mit Bosnien die höchste Arbeitslosigkeit in Europa – statistische Angaben sind unzuverlässig. Doch kann man davon ausgehen, dass die Jugendarbeitslosigkeit dramatische 80 Prozent erreicht. Insgesamt dürften 40 Prozent der Bevölkerung arbeitslos sein.

Und das, obwohl das Land in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat. Es gibt viele Firmengründungen, die Bautätigkeit vor allem in der Hauptstadt Prishtina hat zugenommen, die Infrastruktur hat sich verbessert. Doch das Wirtschaftsleben wird gehemmt durch Handels- und Reisebeschränkungen, es besteht weiterhin Visumspflicht gegenüber den EU-Staaten, ausländische Investitionen bleiben gering, obwohl Kosovo über reiche Bodenschätze verfügt.

Die politischen Parteien versprechen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Die regierende Demokratische Partei Kosova (PDK) des bisherigen Regierungschefs Hashim Thaci kündigt an, 50.000 Jobs schaffen zu wollen.

Auch die zweitgrößte Partei, die Demokratische Liga Kosova (LDK) und die Allianz für die Zukunft Kosova (AAK) von Ramush Haradinaj schlagen in dieselbe Kerbe. Sie wollen für bedeutende Investitionen in die Landwirtschaft und Industrie sorgen, das Bildungssystem erneuern und „natürlich“ die Korruption bekämpfen.

Der Chef der Allianz für ein neues Kosovo (AKR), der Multimillionär Behgjet Pacoli, verspricht die Erhöhung des Lebensstandards um das Drei- bis Vierfache. Vorsichtiger bleibt die Partei Vetevendosje Albin Kurtis. Ihm war es vor allem mit ernsthaften Antikorruptionskampagnen bei den Kommunalwahlen 2013 gelungen, den Posten des Bürgermeisters von Prishtina zu erringen.

Nur eine Partei fällt aus dem Rahmen: Die Starke Partei des „legendären Präsidenten“ und Satirikers Viser Arifaj. Der von 500 „Vizepräsidenten“ unterstützte legendäre Präsident imitiert die Strukturen der Konkurrenzparteien. Die Parteihymne verweist mit dem Refrain „Wir werden alle Millionäre“ auf die Wünsche der die Führer umgebenen Stiefellecker in den herrschenden Parteien.