OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
In der Magical History Tour des Arsenal-Kinos geht es in diesem Monat um Landschaften im Film. Da darf natürlich auch das Hochgebirge und seine Darstellung im deutschen Bergfilm nicht fehlen. Einer der Klassiker des Genres ist „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ (1929), bei dem Arnold Fanck und G. W. Pabst, der die Inszenierung der Spielhandlung übernahm, gemeinsam für die Regie zeichneten. Doch wie in den meisten Bergdramen fungiert die Geschichte um eine Bergtour, einen gefährlichen Wetterumschwung und die damit verbundene Lebensgefahr nur als Alibi für die fantastischen Naturaufnahmen in Eis und Schnee von Fanck und seinen Kameramännern Allgeier und Schneeberger: Nicht umsonst beschwerte sich Leni Riefenstahl vor allem über die künstlich herbeigeführten Lawinenabgänge, die zu einem Gutteil in ihrem Gesicht landeten. Während Riefenstahl in ihren eigenen Regiearbeiten ja eher das Romantisch-Mythische bevorzugte, waren Fancks Filme deutlich realistischer; gemeinsam ist ihnen die Kunst, eine Landschaft wie einen weiteren Protagonisten zu charakterisieren. (8./11. 1. Arsenal)
Zwar läuft „Brigadoon“ in der Hommage an den Regisseur Vincente Minnelli, doch auch dieses Musical würde ganz gut zur besagten Landschaften-im-Film-Reihe passen: Gene Kelly und Van Johnson verirren sich bei einem Jagdausflug im schottischen Hochland und entdecken anstelle des Wegs nach Hause einen Ort, der nur alle hundert Jahre für einen Tag aus einem mysteriösen Nebel auftaucht. Das macht vor allem dann Probleme, wenn man sich in eine Frau verliebt, die man bestenfalls in hundert Jahren wiedersehen kann. Natürlich haben die Beteiligten an diesem Film das schottische Hochland nicht einmal von Ferne gesehen: Wälder, Heide und der pittoreske Wunderort sind Schöpfungen der Mitarbeiter von MGM; Kelly, Johnson und die wunderbare Cyd Charisse gehen ihren Tanz- und Schauspielkünsten also schlicht auf den „Soundstages“ des Studios nach. In CinemaScope und Anscocolor (so hieß das Agfacolor-Umkehrfilm-Verfahren in den USA) ist die falsche Heide auf der großen Leinwand gleichwohl prächtig anzusehen. (OF, 7./10. 1. Arsenal)
Ebenfalls in einer anderen Filmreihe beheimatet ist Luchino Viscontis „Tod in Venedig“, denn das Zeughauskino widmet sich gerade den transalpinen Filmbeziehungen zwischen Italien und Deutschland. Doch auch in Viscontis Thomas-Mann-Verfilmung, einer morbiden Ode an das Scheitern eines bourgeoisen Künstlers, spielt die venezianische Landschaft natürlich eine tragende Rolle: Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde), den Visconti in Anlehnung an Gustav Mahler vom Mann’schen Schriftsteller zum Komponisten befördert hat, verguckt sich an den (gelegentlich) lichtdurchfluteten Gestaden der Lagunenstadt in den holden Knaben Tadzio, geht dann jedoch – begleitet vom Adagietto aus Mahlers Fünfter – in einer in triste Grau- und Brauntöne gehaltenen Sinfonie des Verfalls und der Fäulnis an der Cholera zugrunde. Sehr elegisch, das Ganze. (englische Fassung, 12. 1. Zeughauskino) LARS PENNING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen