: Sie wollen doch nur reden
CROWDFUNDING FÜR BETHAUS
Unter Christen gibt es heutzutage eine diffuse, aber starke Sehnsucht nach einem Schulterschluss mit Juden und Muslimen. Wie der Geist Gottes über dem Wasser schwebt dabei Lessings „Ringparabel“ über den Köpfen: die Metapher der Geschwisterlichkeit aller drei „abrahamitischen“ Religionen.
Auf dem Petriplatz, wo Archäologen Überreste einiger der ältesten Berliner Bauwerke freigelegt haben, soll jetzt die Ringparabel-Idee zu Stein werden: Die evangelische Kirchengemeinde, der das Grundstück gehört, die Jüdische Gemeinde zu Berlin und ein muslimischer Verein wollen per Crowdfunding ein gemeinsames Bethaus ermöglichen. „The House of One“ nennen sie es und suggerieren: Wir beten alle zum selben Gott.
Der Plan ist mutig, nicht nur, weil 43,5 Millionen Euro akquiriert werden müssen – so viel haben etwa die Schlossfreunde bis heute nicht für ihre Barockfassade zusammenbekommen. Er ist auch mutig, weil die Voraussetzungen für ein solches Projekt viel komplizierter sind, als es nach außen hin aussehen mag.
Es fängt damit an, dass die Beteiligten nur Teile ihrer Religionen repräsentieren. Aber wenn sich etwa auch die Katholiken beteiligten, wären Konflikte um die gemeinsame Nutzung eines Sakralraumes abzusehen. Man erinnere sich an den Eklat auf dem Ökumenischen Kirchentag 2003, als ein katholischer Priester mit Protestanten das Abendmahl in der Gethsemanekirche feierte und darob den Job verlor.
Wobei das christliche Schisma angesichts der Kluft zwischen Sunniten und Schiiten ein Klacks ist. Ob es tatsächlich derselbe Gott ist, zu dem hier gebetet wird, ist höchst umstritten, fragen kann man ihn bekanntlich nicht. Von Religionen mit ganz vielen Göttern oder gar keinem Gott brauchen wir gar nicht erst anzufangen, die passen ohnehin nicht ins Schema.
Wie auch immer der Dialog in einem „House of One“ aussieht, es wird nie ein Dialog zwischen DEN Religionen sein, vermutlich aber ein ständiger Tanz ums Fettnäpfchen. Andererseits: Sprechen ist immer noch besser als Schweigen ist immer noch besser als Sich-Anfeinden. Fragt sich, ob das den BerlinerInnen 43,5 Millionen Euro wert ist.
CLAUDIUS PRÖSSER
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