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berliner szenen Arzt aus dem Fernsehen

Das Impfungs-Déjà-vu

Der Wecker hatte kurz vorm Wecken den Geist aufgegeben, und ich war spät dran. Sollte ich nicht gleich besser mit meiner Tasse Kaffee hier sitzen bleiben? Nach einigem Zögern verließ ich doch das Haus. Falsche Entscheidung: Fünf Minuten später war meine Jeans zerrissen, eine Schnittwunde klaffte am Unterschenkel, und ich hinkte mit meinem Rad zu Fuß die Hauptstraße zurück.

Zu Hause klebte ich ein Heftpflaster quer über die blutigste Stelle, während meine Mitbewohnerin in den gelben Seiten nach der nächstgelegenen Arztpraxis suchte. Tatsächlich pries ein gewisser Dr. D. quasi gleich gegenüber seine Dienste an. Klingeling. Der Doktor öffnete persönlich die Tür, sonst war auch niemand da. Das Behandlungszimmer wirkte rustikal wie bei einem Landarzt, und rustikal waren auch die Smalltalk-Themen: Flurnamen im Fläming, Stadtrecht im Mittelalter, das bevorstehende Weihnachtsfest, ach ja, und seltene Symptome bei Wundstarrkrampf. Währenddessen kritzelte Dr. D. Notizen auf eine DIN-A5-Karteikarte, scannte meinen Krankenkassenausweis ein und steckte sich zehn Euro Praxisgebühr in die linke Seitentasche seines Kittels. Die Wunde bekam ein neues Pflaster, und Dr. D. fragte noch: „Wie sieht’s eigentlich mit Tetanus aus!“

Erst auf dem Rückweg erinnerte ich mich dann, warum ich in diesem Moment ein Déjà-vu-Gefühl hatte. Ende der Achtziger gab’s im ZDF eine Folge „Der Landarzt“ mit einem Gastauftritt von Björn Engholm. Der taucht als verletzter Fahrradfahrer in der TV-Praxis auf, und antwortet auf die Frage nach der Tetanus-Impfung so was Ähnliches wie: „Die hatte ich zum letzten Mal als ganz junger Juso.“ War bei mir ganz ähnlich, aber seitdem habe ich nicht nur die Krankenkasse gewechselt. ANSGAR WARNER

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