JULIA SEELIGER ÜBER DIE FREIGABE VON CANNABIS FÜR MEDIZINISCHE ZWECKE
: Werdet Drogenkuriere

Ein Land wie Israel hat acht Millionen Einwohner – und mehr als 5.000 Cannabispatienten. Deutschland hat 80 Millionen Einwohner – und nur 50 Cannabispatienten. Wer auf Cannabis als Medizin angewiesen ist, hat es hierzulande schwer. Und Fertigarzneimittel sind so teuer, dass nur Reiche sie sich leisten können.

Sie wirken auch nicht so gut. Sie enthalten nur einige wenige aus den Hanfblüten extrahierte Substanzen – in den Blüten aber ist ein Cocktail aus Hunderten, wenn nicht Tausenden Substanzen enthalten, deren genaue Wirkmechanismen noch nicht hinreichend erforscht sind. Kranke sagen, dass ihnen die Pflanze mehr Linderung bringt als das Medikament.

Die Lösung wäre so einfach: Man muss den Anbau von Cannabis entkriminalisieren. Zumindest aber muss Schwerkranken schleunigst ermöglicht werden, unbürokratisch Zugang zu Cannabisblüten zu erhalten. Die teuren Medikamente – die in den Niederlanden übrigens nur die Hälfte kosten – von der Kasse zahlen zu lassen ist nur der zweitbeste Weg.

Doch die Bundesregierung macht den Kranken das Leben schwer, indem sie am längst gescheiterten „Krieg gegen die Drogen“ festhält. Juristen, Mediziner, Aktivisten und ehemalige Politiker setzen sich für einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik ein. National und international. Nur diejenigen, die aktiv entscheiden können, haben Angst.

Wovor eigentlich? Vor dem Wähler? Den Medien? Der Drogenmafia? Der Alkohollobby? Die Zeit ist längst reif für eine neue, akzeptierende Drogenpolitik. Der Krieg gegen die Drogen und damit auch der gegen das Cannabis muss beendet werden. Solange die Politik das nicht erledigt, müssen wir selbst ran. Ziviler Ungehorsam auch in der Drogenpolitik: Beschafft Kranken das Cannabis, das ihnen die Politiker nicht zugestehen wollen!

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