Nordrhein-Westfalen giftet gegen Nachbarn

DIOXIN II Nordrhein-Westfalen hat einen 10-Punkte-Plan vorgelegt und wirft Niedersachsen Versagen beim Eierskandal vor. Das Umweltgift taucht auch in anderen Bundesländern auf. Ferkelzucht betroffen

BERLIN dpa/reuters/taz | Nach den Dioxinfunden in Futtermitteln will die Politik über schärfere Vorgaben bei der Produktion und strengere Kontrollen zumindest beraten. Nordrhein-Westfalen (NRW) beantragte deshalb am Donnerstag eine Sondersitzung der Verbraucherschutzministerkonferenz, sie soll Mitte Januar stattfinden. „Der aktuelle Skandal mit dioxinbelasteten Futtermitteln hat uns einmal mehr die Schwachstellen der Lebensmittelkette vor Augen geführt“, sagte NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) in Düsseldorf. Er legte einen 10-Punkte-Plan vor. Dieser sieht vor, über eine Positivliste nur noch bestimmte Stoffe in der Tierfütterung zu erlauben. Bisher gibt es nur eine Negativliste – was nicht draufsteht, darf verfüttert werden.

Von dem Dioxinskandal sind immer mehr Bundesländer betroffen: Erstmals sperrten die Behörden einen Betrieb in Hessen, in dem Ferkel mit belastetem Futter gemästet wurden. Noch ist unklar, ob sie geschlachtet und verkauft wurden. Auch das Agrarministerium in Baden-Württemberg hat erste Hinweise, dass dioxinbelastete Schlachttiere sowie pasteurisiertes Flüssigei ins Land gelangt sind. Der Bauernverband will Schadensersatz von den Futtermittelherstellern: Pro Woche und Hof könne von einem Schaden zwischen 10.000 und 20.000 Euro ausgegangen werden.

Remmel kündigte zudem eine Bundesratsinitiative Nordrhein-Westfalens an, um die Zahl der Lebensmittelkontrolleure deutlich zu erhöhen. Bundesweit fehlen Experten zufolge bis zu 1.500 Kontrolleure, um spürbaren Druck auf die Branche ausüben zu können; die Kontrollen sind Sache der Bundesländer. Derzeit seien 2.500 Kontrolleure für gut eine Million Betriebe zuständig, in manchen Regionen gebe es nur einen Mitarbeiter für 1.200 Firmen, sagte Verbandschef Martin Müller.

Nordrhein-Westfalen warf niedersächsischen Verantwortlichen zudem Versagen vor. Sie hätte die Probleme „nicht in der vollen Gänze erfasst“, sagte Remmel. Er habe sich „nicht ausreichend unterstützt gefühlt“. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete, Remmel habe zwischen den Feiertagen lange Zeit vergeblich versucht, einen niedersächsischen Verantwortlichen ans Telefon zu bekommen – bereits am 23. Dezember meldete die Firma Harles und Jentzsch den Behörden die Dioxinfunde. Der Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums, Gert Hahne, forderte NRW auf, sachlich zu bleiben.