AUGUSTO PINOCHET WAR DAS SYMBOL GNADENLOSER UNMENSCHLICHKEIT
: Tod eines Kriminellen

Augusto Pinochet war nicht der blutrünstigste lateinamerikanische Diktator der Siebziger- und Achtzigerjahre. Mit Tausenden Ermordeter, Zehntausenden Gefolterter und Hunderttausenden, die Chile verlassen mussten, blieb seine „Mörderbande“ (Hans Matthöfer) beispielsweise weit hinter den argentinischen Generälen jener Zeit zurück. Während diese aber trotz aller ihrer Schandtaten gute Beziehungen zu so unterschiedlichen Ländern wie den USA, der Sowjetunion und China aufrechterhielten, wurde das Foto, auf dem Pinochet sein starres Gesicht hinter einer großen, schwarzen Sonnenbrille verbirgt, für Jahrzehnte zum Sinnbild gnadenloser Unmenschlichkeit.

Und das zu Recht. Niemand hat im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts Menschenrechtsverletzungen und politische Unterdrückung so selbstverständlich als im Dienste einer guten Sache, nämlich des Kampfes gegen den Kommunismus, gerechtfertigt wie er. Nur mit der diktatorischen Rücksichtslosigkeit eines Pinochet war zur damaligen Zeit auch durchsetzbar, dass die chilenischen „Chicago Boys“, die Schüler von Milton Friedman, vollkommen freie Hand bekamen. So konnten sie mit ihrer „Revolution der Freiheit“ die Atomisierung und Entsolidarisierung der chilenischen Gesellschaft betreiben, die chilenische Wirtschaft jeglichen Schutzes berauben und damit 1975 und 1982 in den Abgrund stürzen.

Pinochet hat von alldem nichts bereut. Indem er Krankheit und Demenz vortäuschte, hat er sich einem Prozess entzogen. Aber noch auf dem Totenbett hat er „seine Soldaten“ dafür gelobt, dass sie sich unter seiner Führung am Putsch von 1973 beteiligt haben. Die Heeresführung hat immerhin im vorigen Jahr erklärt, dass sie sich nie wieder gegen die Demokratie stellen werde. Die damalige Verteidigungsministerin und jetzige Präsidentin Michelle Bachelet hat darauf hingewirkt.

Inzwischen ist aber auch bei der politischen Rechten der Respekt vor Pinochet verflogen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Pinochet und seine Familie Unterschlagungen in großem Maßstab begangen haben. Er war also nicht nur Chef einer Mörderbande, sondern auch ein verachtenswerter Krimineller. URS MÜLLER-PLANTENBERG

Der Autor ist Professor für Soziologie in Warschau. Davor lehrte er lange Jahre am Lateinamerika-Institut in Berlin