Aceh: Ex-Rebell wird neuer Gouverneur

Irwandi Yusuf, ehemaliger Sprecher der Bewegung Freies Aceh (GAM), liegt mit 39 Prozent der Stimmen klar vorn

BANDA ACEH taz ■ Die Mittfünfzigerin Ida, die gemeinsam mit ihrer Tochter gerade ihren Stimmzettel abgegeben hat, lächelt verschmitzt auf die Frage, für wen sie sich denn entschieden habe: „Das ist doch geheim.“ Buchhändler Effendi Abdullah ist da mitteilsamer: „Ich habe für unseren amtierenden Gouverneur gestimmt.“ Abdullah wird wohl enttäuscht gewesen sein, als am Abend die Ergebnisse der ersten Hochrechnungen in Aceh bekannt wurden. Bei den ersten freien Gouverneurswahlen nach drei Jahrzehnten Bürgerkrieg haben sich die Acehnesen überraschend klar für einen Vertreter der ehemaligen Rebellenbewegung GAM ausgesprochen. Hochrechnungen des Unabhängigen Wahlinstitutes LSI zufolge liegt der ehemalige GAM-Sprecher Irwandi Yusuf mit rund 39 Prozent der Stimmen klar in Führung. Yusuf war während des Tsunami, der vor knapp zwei Jahren über Aceh hereinbrach, aus dem Gefängnis geflohen. Seit 2003 hatte er dort wegen seiner Mitgliedschaft in der GAM eine Haftstrafe verbüßt. Zwar wird das offizielle Wahlergebnis erst im Januar verkündet. Doch die Hochrechnungen des LSI gelten als äußerst zuverlässig.

2,6 Millionen Wahlberechtigte waren gestern aufgerufen, zum ersten Mal ihren Gouverneur selbst und direkt zu bestimmen. Insgesamt 8.000 Wahlstationen hatte die „Unabhängige Wahlkommission“ provinzweit eingerichtet. Mehr als 10.000 Polizisten waren im Einsatz, um den Urnengang abzusichern. Die Wahlen gingen entgegen aller Befürchtungen weitgehend gewaltfrei vonstatten. Lediglich in einem Dorf im Norden Acehs detonierte kurz vor Beginn der Stimmabgaben eine Bombe, richtete aber keinen Schaden an.

Internationale Beobachter, darunter die EU, hatten einen fairen Verlauf des Urnengangs in insgesamt 21 Distrikten überwacht. Doch bereits im Vorfeld der Wahl hatten sich logistische Probleme abgezeichnet: Ein Teil der in abgelegenen Bezirken lebenden Dorfbewohner hat sich beklagt, dass sie keine Registrierung erhalten hatten. Auch der Aufbau von Wahlstationen war nur langsam voran gegangen.

Die Wahl ist fester Bestandteil des im August 2005 geschlossenen Friedensabkommens zwischen GAM und Indonesiens Regierung. Die verheerenden Ausmaße des Tsunami vom 26. Dezember 2004 hatte die verfeindeten Parteien zurück an den Verhandlungstisch gebracht und einen der längsten Bürgerkrieg Asiens beendet.

Noch bevor die Hochrechnungen bekannt wurden, hatte der amtierende Gouverneur Azwar Abubakar gemahnt, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Zu einem möglichen Sieg der GAM sagte er: „Sie haben Gewehrkugeln mit Stimmzetteln vertauscht. Wenn die GAM gewinnt, ist das schön für sie. Das ist Demokratie.“ Die Ex-Rebellenorganisation ist aber selbst gespalten: Der Garde, die lange im ausländischen Exil lebte, stehen die Kämpfer gegenüber, die jahrzehntelang im Hochland Acehs mit Waffen die Unabhängigkeit erzwingen wollten. Ob Abubakars Mahnung Gehör findet, werden die nächsten Wochen zeigen. NICOLA GLASS