Verändertes Klima in der EU-Kommission

Kommt der Emissionshandel für den Flugverkehr? Umweltschützer glauben, dass die EU-Kommission einen ambitionierten Plan gegen den Klimawandel durchsetzt. Sie stehen damit aber ziemlich allein. Die EU-Verkehrsminister ignorieren das Thema

AUS BERLIN NICK REIMER

Bläst der Mensch weiterhin so viel Treibhausgase in die Atmosphäre, könnte die Arktis während der Sommermonate schon in 35 Jahren eisfrei sein. Zu diesem Schluss kommt ein amerikanisches Forscherteam um Marika Holland von der Universität Washington, der heute im Journal Geophysical Research Letters erscheint. Außerdem werde die arktische Eisdecke auch im Winter dünner – wenn es keine ernsthaften Anstrengungen für mehr Klimaschutz gibt.

Aber vielleicht gibt es die ja. „Das Klima hat sich geändert“, urteilte gestern Jos Dings von der European Federation for Transport and Enviroment. Dieser Dachverband von 42 Verkehrs- und Umwelt-NGOs beobachtet in Brüssel die Politik der EU-Kommission. „Augenscheinlich ist sich die gesamte Kommission einig, dass der Flugverkehr einen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss“, meint Dings.

Umweltkommissar Stavros Dimas hat der Kommission einen Plan zur Einbeziehung der Airlines in den Emissionshandel vorgelegt. Noch im Dezember soll die Kommission entscheiden. Dings: „Das findet überall große Zustimmung.“ Für Wettbewerbskommissar Mario Monti sei wichtig, dass alle Fluglinien gleich behandelt würden – auch die amerikanischen. Das größte Problem habe Verkehrskommissar Jacques Barrot: „Der muss mit den USA verhandeln. Aber auch er stützt die Pläne.“

Wenn sich Dings da mal nicht zu sicher ist: Barrot hatte angeregt, Transkontinentalflüge vom Emissionshandel zu befreien. Die US-Regierung hält die Einbeziehung ihrer Flugzeuge für unvereinbar mit den Handelsbestimmungen. Nach EU-Berechnungen würde eine Begrenzung auf den innereuropäischen Flugverkehr aber nur ein Viertel der gesamten EU-Emissionen dieser Branche erfassen.

Dass das Thema „Emissionshandel im Flugverkehr“ nicht so heiß ist, wie Dings prophezeit, machen die EU-Verkehrsminister deutlich, die seit gestern in Brüssel beraten. Offiziell befassen sie sich nicht mit dem Thema. Dabei hatte SPD-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee vor Wochenfrist erklärt: „Wir wollen die Pläne der EU-Kommission voranbringen.“ Ob der Zertifikatehandel im Flugverkehr überhaupt mehr Klimaschutz bringt, ist davon abhängig, wie er organisiert wird.

„Das bringt nur etwas, wenn es eine geschlossene Handelsplattform gibt“, urteilt etwa Sven Harmeling, Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Germanwatch. In Flughöhe ausgestoßene Treibhausgase sind drei- bis viermal so klimaschädlich wie jene, die von Kraftwerken und Autos ausgestoßen werden. Harmeling: „Deshalb müssen die Zertifikate für Flugzeuge natürlich auch dreimal so viel kosten.“ Das funktioniere aber nur, wenn es einen Extra-Börsenplatz gibt.

Die Rettung des Arktiseises ist also noch nicht in Sicht. Die Forscher begründen den schnellen Rückgang mit einem sich selbst verstärkenden Effekt: Offene, dunkle Wasserflächen nehmen Wärme des Sonnenlichts stärker auf als helles Eis. Im Umkehrschluss heißt das: Je mehr Eis geschmolzen ist, umso stärker erwärmt sich das Meer.