FRANZISKA SEYBOLDT LUSTOBJEKTE
: Hippe Tiergeschlechtsteilmützen

Schon klar, eine Fellmütze darf nicht schön aussehen. Aber warum wird sie dann in rauen Mengen gekauft? Vielleicht, denke ich manchmal, haben schon andere vor mir ihre Vielseitigkeit erkannt

Die Leute tragen wieder Funktionskleidung. Das bedeutet, die Kleidung muss gegen Kälte und Wasser schützen, darf aber keinesfalls modisch sein. Das passt mir gut: Es ist Winter, es ist kalt, und ich habe kein Mützengesicht. Aber wenn alle anderen rumlaufen und scheiße aussehen, kann ich das auch.

Also stopfe ich seit Wochen meine Haare unter eine Wollmütze und ignoriere stoisch das daraus folgende Frisurendesaster. Nun wurde Shiloh, die vierjährige Tochter von Angelina Jolie und Brad Pitt, mit einer Schapka gesichtet. Die Fellmütze mit Ohrenklappen ist der heimliche Star des Winters.

Besonders gerne wird sie von sehr hübschen, sehr langhaarigen jungen Frauen getragen. Vor einigen Tagen sah ich eine von ihnen in der U-Bahn, sie trug zu ihrer Kopfbedeckung einen überdimensionierten Pelzmantel und wirkte wie am Filmset von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Trotzdem sah sie bezaubernd aus. Was hat die Schapka, was eine Pudelmütze nicht hat, fragte ich mich, da begann die Mütze zu sprechen.

„Unwissende, wie kommt es, dass du an meiner Aufrichtigkeit zweifelst? Ich bin keiner dieser Hüte, die, einer Hure gleich, im einen Moment begehrt, im nächsten verschmäht werden. Seit 70 Jahren schütze ich Mann, Weib und Kind vor Erfrierung und Diphtherie; wurde von Helmen gequetscht und von Kugeln durchlöchert. Wärmte ich nicht schon im Krieg die Häupter der Soldaten? Gab ihnen die wohlige Geborgenheit der Daunen zurück, wenn sie sanft im Schnee entschlummerten? Die Wahrheit ist: Wer nicht auf Tand und Äußerlichkeiten bedacht, sondern die inneren Werte schätzt und den gesunden Körper, der findet sein Glück bei mir.“

Liebe MützenkäuferInnen, sehr geehrte Damen und Herren: Glauben Sie ihr kein Wort! Die Schapka weiß eben, wie man sich verkauft. Hat wohl Freunde in der Werbung und versucht jetzt einen um den Finger zu wickeln. Dabei will sie doch nur gefallen. Das Schlimme ist: Es funktioniert.

Gestern nämlich war ich in dem schwedischen Bekleidungsinstitut meines Vertrauens. Sie hatten Ausverkauf. Es gab Jogginghosen und Schals zu lächerlichen Preisen. Die Fellmütze war auf 5 Euro herabgesetzt. Ich nahm sie mit. Meine Freundin Martha sagte: „Kennst du den Kosenamen, den die Soldaten der Russenmütze gegeben haben? Sie nennen sie Bäfo.“ Bärenfotze, nicht Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Meine Schapka hängt jetzt an einem Haken in der Küche. Damit sie nicht vereinsamt, spiele ich ihr abends auf der Balalaika vor. Und jeden Sonntag treffen wir uns am Küchentisch. Ich trinke Tee, sie wärmt die Kanne. Denn das muss man ihr lassen: Sie wärmt vorzüglich.

Die Autorin ist taz.de-Mitarbeiterin Foto: privat