„In Berlin wäre das ein lebhaftes Viertel“

DJ Ingo Sänger verbindet mit Dortmunds Nordstadt nicht nur soziale Probleme, sondern auch Kulturoasen

taz: Warum überrascht es so viele Menschen, dass Deutschlands Vorzeigeschule in der Dortmunder Nordstadt liegt?

Ingo Sänger: Selbst für einen Dortmunder ist es schwer vorstellbar, dass gerade in diesem sozialen Brennpunkt die beste Schule Deutschlands liegt. Der Bezirk ist halt ein raues Pflaster. Von einer guten Schule haben die meisten eine andere Vorstellung.

Hat die Nordstadt ein bestimmtes Flair?

Ja, ich würde schon sagen, dass der Stadtteil eine eigene Stimmung hat. Aus kultureller Perspektive ist die Atmosphäre recht lässig, nach dem Motto: leben und leben lassen.

Gibt es in einem sozialen Brennpunkt denn gute Kultur-angebote?

Gerade bei den modernen kulturellen Angeboten hat sich dort viel getan. Zum Beispiel gibt es am Hafen im Dortmunder Norden seit einigen Monaten eine neue Strandbar und einige szeneorientierte Kneipen im Stadtteil selbst. Das sind sozusagen kleine Oasen in der grauen Realität.

Was gibt es denn zu feiern bei hoher Arbeitslosigkeit und sozialer Schieflage?

Es gibt ja auch schöne Seiten, weshalb einige Leute eiserne Nordstadtverfechter sind. Da sind zum Beispiel die wunderbaren Jugendstilhäuser. Auch die vielen türkischen Restaurants machen die Nordstadt lebenswert. Dort liegen außerdem die beiden besten Kinos in Dortmund. In Berlin würde unter solchen Bedingungen sofort ein lebhaftes Viertel entstehen. Hier ist die Stimmung unter den Arbeitslosen und Drogensüchtigen aber zu frustriert.

Verändert sich diese Stimmung mit der Zeit?

Ja. Unter anderem mit dem Projekt „Urban 2“ fließt Geld in den Stadtteil. So verändert sich auch das Leben dort. Ein Beispiel ist der Bereich Nordmarkt, der an einen Park grenzt. Früher wollte man da einfach nicht sein. Das war halt die Platte. Wer durch den Park ging, wurde mindestens zehn Mal auf Drogen angesprochen. Das ist heute nicht mehr so. Inzwischen wird das Image immer besser. Durch Wohnprojekte oder auch die ausgezeichnete Schule sinken die Berührungsängste anderer Menschen gegenüber dem Stadtteil. Bessergestellte Eltern werden nun nicht mehr einfach sagen, sie würden ihr Kind niemals im Norden auf die Schule schicken.

Wann wird aus dem grauen ein florierender Stadtteil?

Das wird noch lange dauern. Ich hoffe aber, dass die vielen Projekte und guten Signale die Nordstadt nach vorne bringen.

INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER