Der Missklang der Festtage

Heute berät die Domgemeinde über die Krise ihres renommierten Chores. Erstmals befasst sich das Gemeindeparlament mit den vom Kirchenvorstand geplanten Personaleinsparungen

von Klaus Wolschner

Die Zeit der warmen Worte ist vorbei. Zwar befeiert der über Bremens Grenzen hinaus bekannte Domchor gerade seinen 150. Geburtstag, 18 Konzerte sind bis Mai geplant. Dennoch ist der Chor in einer handfesten Krise: Der renommierte Domkantor Wolfgang Helbich soll nicht weiter beschäftigt werden, auch Musikmanager Moritz Puschke hat vor zwei Wochen resigniert gekündigt. Wie die weiteren Festkonzerte stattfinden sollen, ist derzeit offen. Heute berät erstmals das oberste Gremium der Dom-Gemeinde über die Krise.

Helbich – allseits hoch gelobt – befindet sich im Dauerclinch mit dem Kirchenvorstand seiner Gemeinde, seitdem ihm vier Tage vor dem feierlichen Jubiläumskonzert mitgeteilt wurde, dass der Vorstand der Domgemeinde ihn nicht mehr will (taz berichtete).

„Wir haben im Mai 2006 die Bauherren um ein Gespräch über die Zukunft der Dommusik gebeten“, erklärt Puschke seine Resignation. „Wir“, das sind Helbich und er. Und die „Bauherren“, das sind in der Domgemeinde die Gemeindevorstände. Die Antwort sei gewesen, so Puschke, dass man keinen Gesprächsbedarf sehe. „Diese Nichtkommunikation zeigte mir, dass ich hier keine Zukunft habe“, schloss Puschke.

In internen Sitzungen wurde über Kosteneinsparungen geredet, Puschkes Stelle war betroffen. Im Oktober bekam er ein Angebot des Deutschen Chorverbandes, der im Jahre 2008 in Bremen das Deutsche Chorfest organisieren muss. Diese Stelle ist besser bezahlt, in Bremen hat er eine reduzierte Stelle für die volle Arbeit. Puschke bat die Domgemeinde um ein letztes Gespräch. Das Angebot: Puschke könne bleiben, wenn er seinen Aufwand für den Domchor von bezahlten 31 Stunden auf 19 Stunden zu reduzieren bereit wäre. Er kündigte.

Gleichzeitig, sagt die Leiterin der Domsingschule, Ilka Hoppe, stelle der Gemeindevorstand dem Leiter des Domchores Wolfgang Helbich, ein „kategorisches Nein“ entgegen. 2008 wird Helbich 65 Jahre alt – und er möchte gern noch zwei, drei Jahre weitermachen. Bei Dirigenten kein ungewöhnlicher Fall. 2008 steht das Chorfest in Bremen auf dem Programm, 2009 der Kirchentag. „Das könnte ein neuer Chorleiter, der gerade angefangen hat, kaum schaffen“, sagt Hoppe. Der Chor will Helbich behalten. Aber den Chor hatte niemand gefragt.

Auch Landeskirchen-Musikdirektor Ansgar Müller-Nanninga wurde nicht gefragt. Bei den Bauherren gilt die Dommusik als Leistung für das Kulturprogramm der ganzen Stadt. Und müsste also von der Stadt bezahlt werden. Derzeit gibt es in der Gemeinde einen Kantor und einen Organisten – doch eine Stelle soll mittelfristig gestrichen werden. Und der Posten des Musikmanagers soll auch wegfallen, die Domgemeinde muss sparen und der Kirchenvorstand setzt Prioritäten.

Der Konvent, das Gemeindeparlament, wird heute erstmals über all diese Probleme beraten. „Wir haben keine demokratische Struktur und keine demokratische Kultur“, sagt Inga Hoppe, selbst gewähltes Mitglied im Konvent der Domgemeinde. Die Gemeinde werde von dem ehrenamtlichen Bauherren-Gremium autokratisch geführt, das sei „einfach nicht mehr zeitgemäß“.

So gebe es beispielsweise für die Weigerung, Helbichs Vertrag um drei Jahre zu verlängern, keine offene Begründung. „Das ist keine Art und Weise“, sagt Hoppe. „Ich fürchte, es geht um alte Rechnungen.“