Im Meer der Ratlosigkeit

Anhängerschaft und Vorstand des SC Freiburg sind gespalten. Nach der 0:4-Niederlage gegen den Karlsruher SC wird die Diskussion um die Zukunft von Trainer Volker Finke lauter denn je geführt

AUS FREIBURG OLIVER TRUST

Daheim bei Achim Stocker ging es schon mal ruhiger zu. Am Tag danach aber klingelte das Telefon im Akkord. Nur er, der Präsident des SC Freiburg, wollte nicht reden. Am Abend davor hatte er wieder einmal nur im Videotext verfolgt, was sich im Stadion abspielte. Seine Frau musste am Dienstag den Hörer abheben und seine Tochter sprang ein, wenn es der Mutter zu viel wurde. Die beiden berichteten vom ratlosen Mann und Vater, der nichts sagen wolle, weil er nicht wisse, was er sagen solle. Dem Radiosender SWR4 gab er dann doch Auskunft: „Irgendwann geht alles zu Ende“, sagte der 71-Jährige. Er sprach über die Zukunft von Trainer Volker Finke.

Man berichtete gestern in Freiburg von einer sportlich prekären Lage und von Zuständen wie im „Bürgerkrieg“. Das ist sicher ziemlich übertrieben und sollte nur hilflos ausdrücken, dass Verein und Anhängerschaft in der Trainerfrage um Volker Finke tief gespalten sind. Im Stadion lieferten sich die rivalisierenden Fraktionen bei der 0:4-Niederlage gegen den Karlsruher SC erbitterte Duelle. „Finke raus!“, sangen die einen, was die andere Fraktion mit einem gellenden Pfeifkonzert quittierte. Das sei eine insgesamt schwierige Situation, meinte Freiburgs Pressesprecher Martin Braun. Diesmal aber habe es immerhin keine Handgreiflichkeiten gegeben wie früher schon einmal. Braun verwies im Meer der Ratlosigkeit derweil auf die einzig verwertbare Mitteilung des Vereinschefs. Der ließ ausrichten, er werde nach dem letzten Vorrundenspiel in Koblenz am kommenden Wochenende zusammen mit den übrigen Vorstandskollegen und Manager Andreas Bornemann Gespräche führen. Vor wenigen Wochen hatte Stocker davon gesprochen, dass auch ein Trainer wie Finke nicht unantastbar sei.

Er wollte das nicht als Trennungsankündigung verstanden wissen. Am Tag nach dem badischen Derby gegen den in allen Belangen überlegenen KSC sprach nur Vizepräsident Fritz Keller deutliche Worte aus. Keller gilt seit geraumer Zeit als eine Art Gegenspieler von Volker Finke, der jetzt, nach mehr als 15 Jahren im Amt, immer mehr in die Kritik gerät und Klub und Anhängerschaft mittlerweile in zwei Lager spaltet. „Wir stehen am Tiefpunkt der letzten 20 Jahre“, sagte Keller und offenbarte anschließend, der SC-Vorstand sei in der Trainerfrage durchaus unterschiedlicher Meinung.

Man verlange vom Trainer in der Winterpause konkrete Aussagen, wie der die Krise zu bewältigen gedenke. Vorerst werde es aber keine Panikreaktion geben. Man werde mit dem Mann, der 15 Jahre lang hervorragende Arbeit geleistet habe, sprechen und „keinen einfach vor die Tür setzen“. Dann werde es eine gemeinsame Entscheidung geben. Im Umfeld des Klubs wird von einem offenen Rennen um die Zukunft des Trainers gesprochen.

Viel dürfte vom letzten Ergebnis in Koblenz abhängen. Sollte sich die Mannschaft achtbar schlagen, will der Klub neue Mittel für weitere personelle Verstärkungen freigeben, ansonsten müsste das gesamte Konzept neu überdacht werden, es könnte im schlimmsten Fall nach über 15 Jahren sogar ohne den 58 Jahre alten Oberstudienrat weitergehen. „Viele Tiefpunkte musste der Verein in den letzten 15 Jahren nicht erleben“, sagte Manager Bornemann. „Die Sitzung, die wir nach der Hinrunde immer durchführen, wird diesmal sicher unter anderen Vorzeichen stattfinden als sonst. Hier will keiner in die Regionalliga.“

Der Trainer selbst will zu seiner Zukunft keine Stellung nehmen. Finke spricht von einer „furchtbaren Halbserie“ und einer „Negativspirale“, an deren Ende man dann auch so gespielt habe, „wie wir jetzt stehen“. Den ehemaligen Uefa-Cup-Teilnehmer Freiburg trennt nur noch die bessere Torbilanz von der Abstiegszone und dem Tabellen-15. aus Jena. „Da musst du einen klaren Kopf bewahren, um den Schalter wieder umzulegen. Das machen wir hinter verschlossenen Türen“, sagte Finke am Spielabend.