Katastrophengebiet wird Gartenschau

Nach 15 Jahren ist der größte Teil der Uranbergbau-Folgelasten saniert. Der früher von Halden geprägte Ort Schlema ist wieder ein Kurort. Die schweren gesundheitlichen Schäden der ehemaligen „Wismut“-Arbeiter sind jedoch nicht mehr reparabel

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

Für die „Wismut“ kommt 2010 das Ende: Dann nämlich sollen die Folgen des sowjetisch gesteuerten Uranerz-Bergbaus auf deutschem Boden beseitigt sein. 6,1 Milliarden Euro hat der Bund zur Sanierung bereitgestellt, gestern zog die Wismut – seit 1991 Nachfolgerin der „Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft“ – Bilanz ihrer 15-jährigen Sanierung in Sachsen und Thüringen.

Rund drei Viertel der Arbeiten sind erledigt. Fast vollständig abgeschlossen sind die Verfüllung von Gruben wie auch des einzigen Tagebaus Lichtenberg. Wesentliche Aufgaben bestehen nur noch bei der Flächensanierung und der Abdeckung von Absetzanlagen, in die der erzhaltige Schlamm eingeleitet wurde.

Nur wenige Kilometer vom Fußballstadion in Aue entfernt – früher hieß der FC Erzgebirge Aue „Wismut Aue“ – wird der Sanierungsfortschritt augenfällig. Schlema war der erste Ort, an dem 1946 das für den Bau sowjetischer Atombomben so wichtige Erz gefördert wurde. Der Ortskern fiel einer Bodensenkung zum Opfer, wachsende Halden veränderten das Gesicht des Städtchens. Heute ist Schlema wieder anerkannter Kurort – der einzige, der dankbar dem ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zu Lebzeiten einen Gedenkstein gesetzt hat.

Von der Autobahn A 4 aus sind auch die Veränderungen der Landschaft in Thüringen wahrzunehmen. In Seelingstädt stand die Anlage, die das mit Schwefelsäure ausgelaugte Erz zu Uranoxid verarbeitete. Heute sind die Fördertürme verschwunden.

Verschwunden sind auch die zunächst erhaltenen und sogar teilweise aufgeforsteten Spitzkegelhalden. Unkontrollierbare Schadstoffabsonderung und mangelnde Standsicherheit bewogen letztlich doch dazu, sie abzutragen. Auf dem Gelände wird im April die Bundesgartenschau eröffnet. Kulturaktivisten ist es kaum gelungen, Industriedenkmale zu erhalten oder ehemalige Bergbaugebäude einer kulturellen Nutzung zuzuführen wie im Ruhrgebiet. Im Sächsischen Landtag hat die FDP allerdings beantragt, etwa 3.600 Kunstgegenstände aus dem Besitz der Wismut in den des Freistaates zu überführen.

Nicht reparabel sind hingegen die gesundheitlichen Schäden der bis zu 45.000 Wismut-Beschäftigten. Denn der ehemalige „Staat im Staate“ sorgte zwar für Prosperität, nahm aber wenig Rücksicht auf Untertage- und Strahlenbelastung. Nach einer im Oktober veröffentlichten Studie wurden bis 1999 bei 59.000 untersuchten ehemaligen Uran-Bergleuten 7.700 Fälle von Lungenkrebs von den Berufsgenossenschaften als berufsbedingt anerkannt.

Der Studie zufolge kommen jährlich immer noch fast 200 neue Fälle hinzu. Die bei ihrer Arbeit mit dem radioaktiven Gas Radon belasteten Bergleute trügen das Lungenkrebsrisiko länger in sich, als bislang bekannt gewesen sei, hieß es. Inwieweit heute noch eine Wismut-bedingte Strahlenbelastung etwa durch das Edelgas Radon vorliegt, ist strittig. „Das ist nicht vorrangige Sanierungsaufgabe der Wismut“, sagt Sprecher Frank Wolf.

Jüngst kolportierten Gerüchten, nach denen die alten Schächte wegen des rasant steigenden Uranpreises (siehe Kasten) wieder aufgefahren werden könnten, tritt der Unternehmenssprecher entgegen. „Das wäre trotz des Preises gegenwärtig nicht rentabel und politisch kaum denkbar.“