Ein Weihnachtsteller Positionen

Angela Merkel will eine einheitliche Linie der Länder beim Nichtraucherschutz. Doch das wird angesichts der völlig unterschiedlichen Haltungen schwierig

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Angela Merkel ist ein feiner Studiogast. Im September musste sich Reinhold Beckmann vom alten Helmut Schmidt sein Studio zuquarzen lassen. Merkel dagegen hat vorgestern Abend nicht geraucht – und dem ARD-Moderator sogar noch erzählt, wie das war mit dem Aufhören, damals, in den Neunzigern. Wie sie verschnupft war und an Bronchitis litt. Wie sich die FAZ empörte, dass eine Jugendministerin qualmt. Und wie sie es dann einfach gelassen hat.

Heute ist Merkel Gastgeberin – und die Ministerpräsidenten werden sich nicht so fein betragen wie die Kanzlerin im TV. Stattdessen werden sie einen bunten Weihnachtsteller an Positionen zum Rauchverbot mit ins Kanzleramt bringen. Nachdem der Koalitionskompromiss zum Nichtraucherschutz geplatzt ist, hat die Kanzlerin angekündigt, dass sie die Länder zu einheitlichen Regelungen animieren will. Ein Erfolg würde die Blamage ein wenig verkleinern – aber wie gesagt: Die Länderpositionen sind gar nicht einheitlich.

Natürlich hat Beckmann in seiner Sendung auch danach gefragt. Und Merkel hat die Gelegenheit genutzt, um das Treffen möglichst niedrig zu hängen. „Am Mittwoch wird noch nicht das Ende der Diskussion sein.“ Da hat sie recht. Es ist eher so, dass die Vielfalt der Meinungen wächst, je länger die Diskussion dauert: Seit das Scheitern des Bundes-Kompromisses klar ist, reden die Länderpolitiker darüber, was sie den Rauchern in ihrem Hoheitsgebiet erlauben wollen. Und je länger sie reden, desto unübersichtlicher wird die Lage. Selbst wenn man die Länder in sehr grobe Kategorien einteilt, bleiben vier Gruppen: Bayern, Berlin, Sachsen und – mit Einschränkungen – Schleswig-Holstein wollen Rauchen in Restaurants verbieten. Der abgelehnte Gesetzentwurf der Bundesregierung sei „eine hervorragende Grundlage für eine Einigung aller Bundesländer mit der Kanzlerin in der kommenden Woche“, lobt Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU).

So leicht macht es Merkel die zweite Gruppe nicht: Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und das Saarland sind gegen Verbote in der Gastronomie. In Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Hamburg ist die Lage noch unklar. In Hamburg zum Beispiel erklären Senatssprecher, es sei noch nichts geplant, während die christdemokratische Regierungsfraktion ein Papier für Verbote in Restaurants mit über 75 Quadratmeter Fläche in der Schublade hätte. In Nordrhein-Westfalen und Brandenburg gibt es schon jetzt Streit. Nimmt man zu der Frage des Nichtraucherschutzes in Gaststätten noch die Ämter, Schulen und Krankenhäuser dazu, wird der Weihnachtsteller der Positionen noch größer und noch bunter.

Damit sich die Länder auf eine bundeseinheitliche Lösung einigen, müssten 16 mächtige Männer ein Stückchen auf ihre Meinung und ihre Interessen verzichten. Das funktioniert in der Rundfunkpolitik, wo alle paar Jahre die Ministerpräsidenten einen Staatsvertrag einstimmig beschließen müssen, manchmal. Aber das Fachgebiet Radio ist praktischerweise gleich in den Regierungszentralen angesiedelt. Beim Nichtraucherschutz fühlen sich dagegen neben den Länderchefs noch einige weitere mächtige Menschen zuständig: die Gesundheits- und Wirtschaftsminister. Noch komplizierter wird es dort, wo Koalitionen regieren. In Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen regiert die FDP mit – und die ist klar pro Tabak.

Merkel bleiben also Rauchverbote in Ministerien, Bundesbehörden, vielleicht auf Flughäfen und in der Bundesagentur für Arbeit. Und das Tabakverkaufsverbot für Jugendliche unter 18. Die Länder hingegen, so war gestern zu hören, werden vielleicht erst mal eine Arbeitsgruppe einrichten. So wie die Bundespolitiker der Koalition vor zwei Monaten. Herausgekommen ist: nichts.