Machtspiele im Revier

Die freie Szene im Ruhrgebiet ist eher skeptisch, ob sie noch an der Kulturhauptstadt-Entwicklung beteiligt wird

Essen taz ■ Mit einem Appell und einer Unterschriftensammlung hat sich die freie Kulturszene im Ruhrgebiet zu Wort gemeldet. Sie fürchtet, bei der Kulturhauptstadt 2010 vergessen zu werden. Grund sei ein politisches Ränke- und Machtspiel hinter den Kulissen der neuen Ruhr 2010 GmbH, heißt es in dem Aufruf, den schon weit über 100 Kulturschaffende unterzeichnet haben. Die Gesellschaft sollte am Montag beim Notar gegründet werden. Doch die Landesregierung hat den Termin platzen lassen, wohl, weil eine hochkarätige künstlerische Leitung noch nicht gefunden wurde. Der von ihr bevorzugte US-amerikanische Theaterstar Peter Sellars wird im Revier abgelehnt.

„Das Kulturhauptstadtbüro beim Regionalverband Ruhr ist nun in einigen Bereichen nicht handlungsfähig“, sagte der Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt, der designierter Geschäftsführer der GmbH ist. Gerade Projekt-Anträge der freien Szene könnten jetzt nicht bearbeitet werden. „Die freie Szene muss nun selbst agieren“, sagt Johannes Brackmann vom Kulturzentrum Grend in Essen, der als erster den Aufruf der Künstler unterzeichnet hat. Nun müssten weitere Ideen für eine Einmischung gesammelt werden.

Ein Problem ist auch die Gesellschafterverteilung in der GmbH, die 48 Millionen Euro vergeben wird. Jeweils 25 Prozent halten das Land NRW und der Initiativkreis Ruhrgebiet, in dem führende Wirtschaftsunternehmen vertreten sind. Die andere Hälfte teilen sich die Stadt Essen und der Regionalverband Ruhr (RVR), der Verbund aller Ruhrkommunen. Er hält immerhin 33 Prozent der Anteile. Während das Land auf eine Lichtgestalt setzt, will die Region lieber ein Kuratorium aus ihren Reihen. Der Vorsitzende der Ruhrgebiets-CDU und Bundestagspräsident Norbert Lammert unterstützt dies. Das Revier gewänne durch eine Verbindung mit der Landeshauptstadt nicht an Glanz, sagt er. PETER ORTMANN