Durchlöcherter Lieblingsfilm

Das Europaparlament weitet die Werbemöglichkeiten im Fernsehen großzügig aus

Als die grüne Abgeordnete Helga Trüpel aus der Abstimmung kam, war ihr die Enttäuschung deutlich anzumerken. „Ich habe auf der ganzen Linie verloren. Die privaten Produktionsfirmen haben sich mit allen Anliegen durchgesetzt. Wir werden eine Medienlandschaft bekommen wie in Amerika.“ Eine hauchdünne Mehrheit hatte im Europaparlament dafür gestimmt, die Werbemöglichkeiten in der Neufassung der Fernsehrichtlinie großzügig auszuweiten.

Künftig wird es erlaubt sein, in 36 Minuten Sendezeit 6 Minuten Werbung zu verteilen – als Einzelspots oder in Blöcken. Mit dem gemütlichen Spielfilm-Abend ist es dann vorbei. Wer sich sein Lieblings-Melodram nicht wie einen Schweizer Käse durchlöchern lassen will, wird aufs Bezahlfernsehen ausweichen müssen oder die öffentlich-rechtlichen Sender nach 20 Uhr. Denn nationale Sonderbeschränkungen sind weiterhin zulässig.

Die Abstimmung erweckte den Eindruck, dass viele Abgeordnete angesichts der komplizierten Einzelbestimmungen den Überblick verloren hatten. Als ein wütender Daniel Cohn-Bendit den Kollegen der anderen Fraktionen mitteilte, sie hätten sich soeben für sechs Stunden Werbung pro Tag entschieden, blickte er in ratlose Gesichter.

Auch über den Kompromiss zur sogenannten „Produktplatzierung“ sind die Grünen und viele Sozialdemokraten enttäuscht. Sie wird nur in Nachrichtensendungen, Kinderprogrammen und Sendungen mit religiösem Inhalt verboten. Firmen dürfen ihre Produkte unter der Bedingung in einer redaktionellen Sendung herausstellen, dass im Vorspann und Abspann darüber informiert wird. Alle zwanzig Minuten muss zudem ein neutrales Logo den Zuschauer daran erinnern. Die Details bleiben den Mitgliedsstaaten überlassen. „Es gibt einen großen grauen Markt, weil jedes Mitgliedsland es anders handhaben wird und für Sendungen aus Drittländern gar keine Spielregeln gelten“, kritisiert Sozialdemokratin Lissy Gröner.

Keine Mehrheit fand auch der Antrag der Grünen, Werbung für Junk-Food in Kindersendungen zu verbieten. Die Abgeordneten aus den nordischen Ländern scheiterten mit dem Vorschlag, Alkoholwerbung aus dem Vorabend zu verbannen. So besteht die schizophrene Situation fort, dass die EU-Kommission teure Kampagnen gegen Alkoholkonsum finanziert und gleichzeitig die Werbung für Alkohol erlaubt. DANIELA WEINGÄRTNER