Dresdner PDS schasst Kritiker

In einem kuriosen Konflikt in der Dresdner Linkspartei um den Verkauf der kommunalen Wohnungen sind sechs Stadträte vom Parteiausschluss bedroht

DRESDEN taz ■ Die Landesschiedskommission der Linkspartei in Dresden muss an diesem Sonnabend ohne die sechs Beschuldigten auskommen, über deren Parteiausschluss sie verhandelt. Ihr Wortführer Ronald Weckesser begründete die Abstinenz mit seinem Misstrauen gegen die Kommission. Zudem hat die Stadträtin Christine Ostrowski das Verfahren bereits vor die Bundesschiedskommission der PDS gebracht.

Auslöser des Konflikts ist der Verkauf der kommunalen Dresdner Wohnungsgesellschaft Woba an den amerikanischen Investor Fortress. 9 von 17 Stadträten der Linksfraktion stimmten dem im März dieses Jahres zu. „Sonst wäre das Kommunalwahlprogramm der PDS Dresden ein Märchenbuch geblieben“, begründete dies Stadtrat Peter Herpichböhm. Dresden stand in seinem 800. Jubiläumsjahr vor der Pleite. Ohne den Verkauf, der die Schulden tilgte, wäre der Haushalt nicht genehmigungsfähig gewesen.

Zwei PDSler des Kreisverbandes Freiberg beantragten daraufhin den Ausschluss der sechs „Dissidenten“, die Mitglied der PDS sind. Die anderen drei sind Parteilose. Einer der beiden Ankläger ist Jens-Eberhard Jahn. Er argumentiert: Die Verkaufsbefürworter verstießen gegen das Parteiprogramm und gefährdeten die Glaubwürdigkeit der Partei. Deshalb habe die Dresdner PDS zur Bundestagswahl 2005 so mies abgeschnitten.

Der Anklage folgte eine parteiinterne Posse. Zunächst lehnte die städtische Schiedskommission im August einen Parteiausschluss mit wirrer Begründung ab. Den Verkaufsbefürwortern wird einerseits ein Verstoß gegen Parteigrundsätze vorgeworfen, andererseits aber linientreues Verhalten bescheinigt und ihr Votum dem mangelnden Diskussionsstand in Kreis- und Landesverband zugeschoben.

Die sechs Beschuldigten wollten aber einen Freispruch erster Klasse und riefen die Landesschiedskommisison an. Die wollte sich zuerst nicht mit der Sache beschäftigen. Daraufhin legte Christine Ostrowski bei der Schiedskommission der Bundespartei Berufung ein.

Das Verfahren zeigt, dass die Partei tief zwischen Idealisten und Pragmatikern gespalten ist. Es macht aber auch deutlich, welche Kuriosa die innerparteiliche Bürokratie bereithalten kann: So wurde das Ausschlussverfahren zunächst auch gegen den Fraktionsvorsitzenden Ralf Lunau eröffnet, obwohl der gar nicht PDS-Mitglied ist. Und die Landesschiedskommission erfuhr erst durch die Anfrage des taz-Journalisten von der Absage der sechs Geladenen. Am Sonnabend werden in Leipzig nur die beiden Freiberger Ankläger gehört, die nun ihrerseits gegen den konfusen Freispruch der Dresdner Parteirichter Berufung eingelegt haben.

Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch würde den Streit am liebsten gar nicht vor einer Schiedskommission sehen. Es gehe schließlich um eine politische und keine juristische Frage. Seiner Meinung nach bietet die Woba-Verkauf-Zustimmung „keinen Ausschlussgrund“.MICHAEL BARTSCH