WE WANT FOOTBALL!
: Plötzliche Rückflugangst

Die rätselhafte Welt des Sports

ACHIM BOGDAHN

Endlich endet die Fußball-Winterpause! Schluss mit schlechtem Methadon à la Vierschanzentournee. We want Football! Und da gibt es zum Ende der Winterpause ein lieb gewonnenes Ritual: Die Südamerikaner kommen mit mindestens sieben Tagen Verspätung unentschuldigt zurück (oder mit Entschuldigungen wie „Ein Pferd auf meiner Ranch hatte Probleme mit dem hinteren Wadenbeinköpfchen.“ „Ich lag am Strand und hatte keine Uhr dabei.“ „Mein – 1995 verstorbener – Opa ist krank geworden.“).

So Schalkes Jefferson „Airplane“ Farfan, der mit kindlicher Offenheit verriet: „Ich konnte nicht rechtzeitig aus Peru weg, weil gerade in dem Moment das Angebot eines anderen Vereins hereinkam!“ Oder letztes Jahr Paolo Guerrero vom Hamburger SV: Der hatte plötzlich Flugangst (für Insider: Aviophobie). Allerdings nur vor dem Rückflug nach Hamburg. Die ersten zwei Male hatte er das Flugzeug bestiegen und dann gleich wieder verlassen. Beim dritten Mal hatte der HSV den Teammanager als Begleiter nach Südamerika geschickt. Der kam allein zurück. Dann wurde die Freundin des Profis zum Abholen geschickt, doch die fand Peru schöner als Deutschland und wollte gleich ganz in Südamerika bleiben. Beim fünften Mal bestieg Guerrero den Flieger zusammen mit seinem Cousin, der hatte aber kein Visum für Deutschland. Dann waren ein Hamburger Physiotherapeut und ein Psychologe nach Lima geeilt, und denen gefiel es in dem Andenstaat ebenfalls nicht schlecht, es dauerte noch weitere Wochen, bis alle wieder da waren, und mit dem Frachtschiff hätte es auch nicht länger gedauert. HSV-Sponsor Fly Emirates (!) war nicht gerade begeistert. Fußballprofi sein, ohne das Flugzeug benutzen zu wollen bei Auswärtsspielen in Dnjepropetrowsk, Trondheim oder Istanbul, ist wie Bäcker mit Mehlallergie oder André Rieu mit Geigenphobie.

In der aufopferungsvollen Welt der britischen Amateursportler gibt es bekanntlich keine Winterpause. Und die wahren Bestleistungen im Fußball werden von unbekannten Kickern wie Ricky Broadley aus der fünften Liga von Wales vollbracht. Der Stürmer von den Mountain Rangers aus Rhosgadfan sah im Pokalspiel gegen Penrhyndeudraeth sage und schreibe vier Rote Karten! Die erste bekam er dafür, dass er seinem am Boden liegenden Gegner ins Gesicht trat. Daraufhin beschimpfte er den Referee so wüst, dass der nochmals die Rote Karte zückte. Nach dem Spiel drohte er dem Schiri mit Schlägen – Rote Karte Nummer 3 – und kippte ihm einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf. Dafür sah er die vierte.

Ebenfalls aus Großbritannien kommt ein zweiter Rekord: Dort wurde das längste Fußballspiel aller Zeiten ausgetragen: 35 Stunden am Stück kickten Cheltenham und Cambray für das Guinness-Buch gegeneinander. Beteiligte sagen, sie seien durch „eine Welt der Schmerzen“ gegangen, das also, was beispielsweise Fans des TSV 1860 München jede Woche durchmachen müssen. In diesem Fall in England fielen allerdings mehr Tore als bei den Löwen. Cheltenham gewann das Spiel mit 40 Toren Unterschied 333 zu 293.

Aber mit Zahlen kennt man sich bei 1860 München auch gut aus, vor allem mit roten. Heute läuft die Frist ab, zu der die Sechzger bei der DFL nachweisen müssen, dass sie über 5 Millionen Euro besitzen. Das ist so, als ob Thilo Sarrazin nachweisen müsste, dass er überzeugter Muslim und Hartz-IV-Empfänger ist oder als ob Angela Merkel eine glaubhafte Rede vor der Friseursinnung halten müsste. Mehrere Spieler hat 1860 in der Winterpause verhökert, allen Angestellten das Gehalt um 10 Prozent gekürzt und ominöse Investoren an Land geholt, zwar nicht – wie von manchen Fans befürchtet – irgendwelche Landminenhersteller aus Myanmar oder Wettbüros aus Hongkong, aber trotzdem undurchsichtige Figuren wie den Berliner Hedgefonds-Mann Nicolai Schwarzer. Vielleicht geht’s jetzt gerade noch mal gut, aber das Licht am Ende des Tunnels ist bei Sechzig im Zweifelsfall immer ein Zug.