Vertriebene haben schlechte Aussichten

Die „Preußische Treuhand“ hat es mit ihren Klagen jetzt vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geschafft. Ihren Ansprüchen auf Entschädigung oder Rückgabe von Eigentum gegenüber Polen werden die Richter jedoch kaum stattgeben

AUS BERLIN CHRISTIAN SEMLER

Sechs Jahre nach ihrer Gründung hat die „Preußische Treuhand“ jetzt beim Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte 22 Einzelbeschwerden eingelegt. Deren Ziel ist, Rückgabe- oder Entschädigungsansprüche von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten gegenüber Polen zu erstreiten. Die Treuhand funktioniert als Aktiengesellschaft. Neben einzelnen Vertriebenen und deren Nachkommen haben vor allem die Schlesische Landsmannschaft und die NRW-Landesgruppe der Ostpreußen Aktien gezeichnet.

Der Weg nach Straßburg gestaltete sich für die Treuhand schwierig. Zwei Anwaltsbüros sprangen hintereinander ab, so dass Rudi Pawelka, schlesischer Landsmannschaftler und Motor des Treuhand-Unternehmens, sich diesmal hinsichtlich der anwaltschaftlichen Vertretung bedeckt hält. Der Absprung der Anwälte hatte politische wie juristische Gründe. Allein die Ankündigung Pawelkas, Vertriebenenansprüche gegenüber Polen gerichtlich durchsetzen zu wollen, führte zu einem Aufschrei der Öffentlichkeit, verschlechterte das polnisch-deutsche Verhältnis und gab nationalistischen Kräften jenseits der Oder nachhaltig Auftrieb. So ordnete der damalige Warschauer Bürgermeister und heutige Staatspräsident Lech Kaczynski die Einsetzung einer Kommission an, die wegen der Zerstörung der Stadt durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Schäden von 45 Milliarden Euro errechnete.

Die Bundesregierung grenzte sich – noch unter Schröder – von der „Preußischen Treuhand“ ab, auch Erika Steinbach, Chefin des Bundes der Vertriebenen (BdV), ging auf Distanz. Tatsache ist allerdings, dass Verantwortliche der Treuhand nach wie vor Positionen im BdV innehaben.

Rechtlich gesehen hatten die jetzt in Straßburg vorgebrachten Beschwerden nie den Schatten einer Erfolgsaussicht. Schon wegen des Zeitraums der Vertreibungen 1945 bis 1948 ist das Straßburger Gericht nicht zuständig. Die Beschwerden beziehen sich auf Vorgänge vor der Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zudem wäre das anzuwendende Recht das polnische, und nach ihm bestehen keine Ansprüche auf Grund der Enteignung von Vertriebenenvermögen.

Anders verhält es sich mit Vermögen, das deutschstämmigen polnischen Staatsbürgern während der Zeit des Realsozialismus rechtswidrig, also vor 1989, enteignet wurde. In diesem Fall muss der polnische Rechtsweg beschritten werden, was auch schon mit Erfolg geschehen ist. Erst wenn dieser Rechtsweg erschöpft ist, wäre der Weg nach Straßburg offen.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich der Erklärung ihres Vorgängers von 2004 angeschlossen, wonach die deutsche Seite weder selbst Entschädigungsansprüche erhebt, noch solche unterstützt. Diese bindende einseitige Erklärung hat gegenüber Polen völkerrechtliche Klarheit und damit Rechtssicherheit geschaffen. Was allerdings den von der „Treuhand“ verursachten fortlaufenden politischen Schaden nicht mindern kann.