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Drei Jungs auf der Suche

DRAMA Feinfühlig: „Wenn die Welt uns gehört“, Sa., 22.45 Uhr, Arte

„Richy, du Wichser!“ Schüchtern und schwach, zwei Eigenschaften, die einen männlichen Jugendlichen zum Opfer machen. Richy quält sich als klassischer Außenseiter durch das trostlose Leben einer ostdeutschen Kleinstadt. Keine Freunde, viele Peiniger, und selbst der kleine Bruder macht sich über ihn lustig.

Marco dagegen ist älter, stärker und beschäftigt sich eingehend, fast obsessiv mit Gläserrücken und anderen okkulten Ritualen (um die neue Freundin seines Vaters loszuwerden). Für Richy das ideale Vorbild und die einzig greifbare Hoffnung auf ein anderes, spannenderes Leben. Zusammen mit Tim, einem Zugezogenen aus der Nachbarschaft, steigern sich die Jugendlichen in eine Fantasiewelt zwischen Freundschaft, Gruppenzwang und Satanismus hinein.

Mit ihrem Spielfilmdebüt „Wenn die Welt uns gehört“ gelingt den Dokumentarfilmerinnen Antje Kruska und Judith Keil ein feinfühliger und klischeefreier Einblick in die Erfahrungen und die Psyche von männlichen Heranwachsenden in unserer Gesellschaft. Zwar bildet die dargestellte ostdeutsche Kleinstadtödnis den visuell passenden Hintergrund dieser trostlosen Geschichte, doch sind die thematisierten Umstände im zwischenmenschlichen Umgang überall in Deutschland gleich. Ewige Machtspiele um Stärke und Schwäche, um Zugehörigkeit und Unterdrückung, um Terror und Angst. Dabei dient der Satanismus nur als austauschbare, radikale Ideologie, in die sich die Jugendlichen in ihrer Sehnsucht nach Anerkennung und Sinnstiftung flüchten.

„Wenn die Welt uns gehört“ ruft eigene, längst verdrängte Erinnerungen wach, die man nicht ohne Grund im Rückblick lieber ausblendet. Erfahrungen und Probleme, die wohl jeder Mann als Jugendlicher in verschiedener Art und Intensität gemacht haben wird. Somit bleibt trotz der bedrückenden Thematik doch das beruhigende Gefühl bestehen: Gott sei Dank bin ich aus dem Alter raus. MAX BÜCH

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