Gefahr auf Gleisen

Züge mit 2.000 Tonnen radioaktivem Material fahren regelmäßig durch NRW. Doch oft erfahren die BürgerInnen davon nichts. Anti-Atominitiativen fordern Aufklärung: „Die Transporte laufen heimlich“

VON JULIA GROTH

Alle zwei bis drei Wochen herrscht auf Nordrhein-Westfalens Bahnstrecken der Ausnahmezustand: Ein Zug, beladen mit mit hochgiftigem und radioaktivem Uranhexafluorid, rollt dann aus Frankreich kommend in Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau. Mehrere Anti-Atomkraft-Initiativen fordern jetzt von den Städten entlang der Zugstrecke, ihre Bürger besser vor der Gefahr durch Strahlung und Unfällen zu schützen. Denn die Anwohner wissen oft nichts von der gefährlichen Fracht. „Transporte mit Uranhexafluorid werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt“, kritisiert Wolfgang Porrmann von der Waltroper Initiative Menschen gegen Atomanlagen (MEGA).

Mehr als 1.500 Züge mit jeweils 2.000 Tonnen der gefährlichen Substanz an Bord sind seit 2001 durch NRW gefahren. Auf dem Weg nach Gronau passieren sie Städte wie Bonn, Dortmund, Greven, Waltrop und Ahaus. Die Stadträte wissen meist ebenso wenig wie die anderen Einwohner von den Transporten, denn Urenco, die Betreiberfirma der Gronauer Anlage, informiert die Öffentlichkeit nicht im Voraus. Auch die Polizei hat keine Informationspflicht.

Nun regt sich Widerstand gegen die Transporte. In Ahaus wird sich der Stadtrat morgen mit dem Thema befassen. Die Fraktion der Unabhängigen Wählergruppe (UWG) will wissen, wie groß die Gefahr für die Einwohner ist. Dass neben dem Castor-Transport noch weitere Züge mit radioaktiven Stoffen durch Ahaus fahren, wusste man laut einem offiziellen Schreiben der Stadt bis zur Anfrage der Wählergruppe nicht. „Seit langer Zeit laufen die Dinge sehr heimlich ab“, sagt UWG-Mitglied Dieter Homann.

Eine Ausnahme von der Geheimniskrämerei gibt es in Lünen. Die Stadt ist zwar über die Urantransporte informiert, interessiert sich aber nicht besonders für deren Gefahren. „Das ist ein Gefahrguttransport wie jeder andere auch“, so Pressesprecher Jochen Neubauer. Man wolle nur wissen, was sich auf den Gleisen im Stadtgebiet tue. Dass die Stadt über die Züge nach Gronau bescheid weiß, ist Neubauer zufolge einer Sondervereinbarung mit der Polizei zu verdanken, die auf gutem Willen beruht.

In Bonn und Dortmund hingegen weiß man nichts von den mit Uran beladenen Zügen. Dabei ist die Strahlungsgefahr laut Porrmann von MEGA nicht zu unterschätzen. Eigene Messungen hätten ergeben, dass die gefährliche Gammastrahlung außen fast so kritisch hoch sei wie beim Castor-Transport. Laut Urenco sind die Werte nicht gesundheitsschädlich. „Die Gefahr wird heruntergespielt“, kritisiert Porrmann. Auch in Münster, Rheine, Hamm, Lünen und Datteln wollen die Anti-Atom-Aktivisten deshalb Anfragen stellen: Die Stadtverwaltungen sollen erklären, ob sie überhaupt von den Atomtransporten wissen – und wie sie die Bevölkerung im Unglücksfall schützen wollen.