Senat steckt Würste in U-Haft

Die Lebensmittelaufsicht stellt 10.000 Bratwürste sicher, die für einen Weihnachtsmarkt bestimmt waren. Grund: Die Etikette fehlten. Der Senat spricht von erhöhter Sensibilität bei Kontrolleuren

Von Dominik Schottner

Den Verbrauchern ist Gammelfleisch inzwischen offenbar wurst. Obwohl am Samstag bekannt wurde, dass 10.000 für den Weihnachtsmarkt am Opernpalais bestimmte Bratwürste sichergestellt worden waren, aßen die Besucher munter weiter die heimische Delikatesse. „Wir verkaufen genauso viele Würste wie vorher“, erklärte Joseph Nieke, Besitzer der drei Wurstbuden auf dem Markt. In den vergangenen zehn Tagen waren wiederholt verdächtige Fleischlieferungen gemeldet worden.

Das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt Mitte hatte die Würste bereits am Dienstag in Gewahrsam genommen. Die Behörde habe einen anonymen Hinweis erhalten und umgehend Kontrolleure entsandt, berichtet Roswitha Steinbrenner, die Sprecherin der Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (PDS). Vor Ort stellten die Beamten dann fest, dass ein Teil der Lieferung nicht korrekt beschriftet war.

Joseph Nieke erklärte der taz, der Lastwagen mit den Würsten habe auf dem Weg nach Berlin einen Unfall gehabt. Beim Umladen der Ware auf einen Ersatzlaster habe man die Kartons aufreißen und die teils eingeschweißten Würste herausnehmen müssen, da die Kartons nicht im Ganzen umgeladen hätten werden können. Weil aber nur sie beschriftet waren und später weggeschmissen wurden, fehlte der Herkunftsnachweis für die Kontrolleure. Nieke glaubt, dass sich der Betreiber einer Bude, der dieses Jahr keinen Stand bekommen hatte, rächen wollte.

Die sichergestellten Würste haben dennoch gute Chancen, gegessen zu werden. „Es gibt keine Anzeichen von Verderb“, so Steinbrenner. Abschließende Gewissheit soll eine lebensmitteltechnische Analyse bringen. Ergebnisse werden für Anfang dieser Woche erwartet.

Das Lebensmittelaufsichtsamt Mitte hätte den Fall nicht an die übergeordnete Gesundheitssenatsverwaltung melden müssen. Dass dies doch geschah, hänge mit der derzeit erhöhten Sensibilität zusammen, erklärte Steinbrenner. Wenn Fleisch sichergestellt oder bereits verzehrt wurde, müssen die Behörden die Öffentlichkeit laut Lebensmittelgesetzbuch nicht unterrichten. Eine Ausnahme besteht, wenn das Essen potenziell gesundheitsgefährdend ist. Dies sei hier aber eher unwahrscheinlich, sagte Steinbrenner.

Vom Rummel um den vermeintlichen Gammel völlig unbeeindruckt aßen gestern auch Karl Schmitz und seine Frau eine „Krakauer“ an einem von Niekes Buden. „Rischt’sch lecker sin die“, sagte Herr Schmitz. Angst, dass die Würste eventuell verseucht sein könnten, hat er nicht: „Das Feuer, auf dem die gebraten werden, zerstört doch alle Keime.“

Der Fleischhändler, bei dem Ende September 95 Tonnen verseuchtes Putenfleisch gefunden worden waren, will unterdessen mit einem Gegengutachten beweisen, dass das Fleisch doch in Ordnung war. Das erfuhr die taz gestern aus Senatskreisen. Heute beschäftigt sich der Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses mit Vorwürfen an die damalige Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS), die Bevölkerung in diesem Fall zu spät informiert zu haben.