heute in Bremen
: „Das senkt die Produktivität“

Wiwi-Emeritus Gerhard Leithäuser erzählt, warum die Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich bei Rheinmetall „merkwürdig“ ist

taz: Herr Leithäuser, viele Unternehmen, angeschlagene vor allem, halten eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich für unverzichtbar. Sie auch?

Gerhard Leithäuser, Emeritus für Wirtschaftspolitik der Uni Bremen: Nein. Das entspricht ja de facto einer Absenkung des Stundenlohns. Zwar sinken so einerseits die Lohnstückkosten. Andererseits sinkt auch die Produktivität – was die Lohnstückkosten wieder erhöht. Am Ende sitzt man auf einem Überhang an Arbeitsstunden. Und der wiederum ist möglicherweise ein Grund für Entlassungen. Wenn ein Unternehmen Absatz und Produktionsprobleme hat, dann würde man erwarten, dass die Arbeitszeit verkürzt und nicht verlängert wird.

Bei Rheinmetall Defence Elektronik in Sebaldsbrück lief das anders. Da arbeiten Beschäftigte jetzt fünf Stunden mehr – bei gleichem Lohn.

Das Unternehmen ist vor einem Jahr aus dem Tarifvertrag ausgeschieden. Dann wurden neue Einzelverträge an die Belegschaft geschickt, die auf eine Erhöhung der Arbeitszeit hinauslaufen. Zwei Drittel der Belegschaft haben unterschrieben.

Warum?

Wenn man eine solche Maßnahme ablehnt, dann ist das Arbeitskampf. Da braucht man einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Und man kann gewinnen oder verlieren.

Was raten Sie Beschäftigten anderer Betriebe, denen Arbeitszeitverlängerung ebenfalls als „unvermeidlich“ verkauft wird?

Das Umgekehrte zu fordern: Arbeitszeitverkürzung mit Arbeitsplatzgarantie.

Mit welchem Druckmittel?

Mittelfristig wichtig ist doch die Innovationspotenz einer Firma. Mit Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich aber werden die Leute nicht gerade motiviert. Das ist also kein Beitrag dazu. Und im Übrigen gilt: Für Spezialisten, wie die bei Rheinmetall Defence Elektronik beschäftigten, ist der Arbeitsmarkt durchaus nicht so ungünstig. Die sind gesucht. Interview: sim