Opposition kaut auf Gammelfleisch rum

In der Sondersitzung des Gesundheitsausschusses zu verdorbenem Fleisch durfte Senatorin Knake-Werner (PDS) sich verteidigen, die SPD petzen und die FDP ihren Sinn für Humor zeigen. Neue Informationen waren hingegen rar

Für die Opposition ist der Fall Nachweis einer „Politik der Verpfuschung“

Die Silbe „-sonder“ weist daraufhin, dass etwas von außergewöhnlicher Wichtigkeit ist. Von einer Sondersitzung erwarten sich Teilnehmer deswegen meist besonders wichtige Ergebnisse. Dass es darum oft gar nicht geht, bewies gestern die Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Abgeordnetenhauses eindrucksvoll. Statt Informationen gab’s Klamauk und Streiterei.

Inhaltlich bewegten sich die beiden Blöcke Opposition und Koalition kein Stück in Richtung der Aufklärung des Rummels um vermeintliches Gammelfleisch, des ursprünglichen Ansinnens der Sitzung. Stattdessen führten sich die Vertreter des Volkes zeitweise auf wie die ungezogenen Kinder desselben, unfähig, sich gegenseitig länger als einen Atemzug zuzuhören.

Der SPDler Daniel Buchholz etwa sah sich nach einer guten Stunde Aussprache genötigt, seinen grünen Kollegen Michael Schäfer zu verpetzen: „Der kriegt gleich ’ne Eintragung ins Klassenbuch. Der stört ständig.“ Schäfer, verbraucherpolitischer Sprecher seiner Fraktion, hatte da bereits ein gutes Dutzend teils kluger, teils unverschämt bedeutungsloser Fragen an die beiden Senatorinnen Heidi Knake-Werner und Katrin Lompscher (beide PDS) gestellt. Schäfer tat sich auch hervor, als es darum ging, die Redebeiträge seiner Kollegen zu unterbrechen.

Knake-Werner, bis vor kurzem für die Gesundheit zuständig, und ihre Nachfolgerin Lompscher sollten weitere Einzelheiten des Gammelfleischskandals verraten – so die Hoffnung der Opposition. Vor zehn Tagen war bekanntgeworden, dass die Lebensmittelaufsicht auf einem Moabiter Großmarkt bereits Ende September 95 Tonnen mit Salmonellen verunreinigtes, teils stinkendes Putenfleisch aus Italien beschlagnahmt hatte. Die Meldung darüber sei, so die Version von Knake-Werner, von einer Aushilfskraft nicht pflichtgemäß an sie und die Pressestelle weitergeleitet worden. Für die Opposition ist der Fall dagegen Nachweis einer „Politik der Verpfuschung“, mit der heruntergespielt werden solle, dass die Lebensmittelkontrollen in Berlin nicht ausreichen.

Kurz nach dem ersten Fund war zudem bekanntgeworden, dass weitere 42 Tonnen desselben Lieferanten ungeprüft von der Lebensmittelaufsicht vernichtet worden waren. Die neue Gesundheitssenatorin Lompscher sagte in der Sitzung, Teile dieses Fundes seien in fünf Bezirke geliefert und wahrscheinlich verzehrt worden.

Der einzige sachliche Beitrag, sowohl im Ton als auch inhaltlich, kam ausgerechnet vom ehemaligen Gesundheitssenator Peter Luther (CDU). Er wies die Schuld klar Knake-Werner zu, die die Verantwortung für die Informationspanne an eine Aushilfskraft durchgereicht habe: „Ich frage mich, ob Sie nicht einen Teil der Verantwortung auf sich nehmen wollen?“ Das gehöre eben dazu, wenn man die höchste Gesundheitsbehörde leite, auch wenn man selbst gar keine Schuld habe, so Luther.

Ach ja, Lustiges gab es doch noch zu berichten: Die FDP verteilte vor der Sitzung Gammelfleischimitate aus Plastik. Wahrscheinlich gab es kein echtes mehr auf dem Markt.

DOMINIK SCHOTTNER