Nasarbajew lässt sich bitten

KASACHSTAN Das Parlament stimmt einer angeblich privaten Initiative für ein Referendum zu, dass den Staatschef bis 2020 ohne Wahlen im Amt lassen will

Statt der „ewigen“ reicht Nasarbajew die „lebenslange“ Präsidentschaft

AUS ALMATY MARCUS BENSMANN

Kasachstan schafft die Wahlen ab. Die beiden Kammern des zentralasiatischen Parlaments verabschiedeten am Freitag in gemeinsamen Sitzung in der Hauptstadt Astana eine Verfassungsänderung, die ein Referendum zur Verlängerung der präsidialen Vollmachten zulässt. Zudem habe direkt hinter „Präsident der Republik Kasachstan“ das Wort „Elbasi“ für Haupt oder Führer der Nation zu stehen.

Zuvor sammelte in nur drei Wochen eine angebliche Privatinitiative eines Schuldirektors aus Semipalatinsk unweit des kasachischen Weltraumhafens über fünf Millionen Unterschriften für eine Petition. Die fordert ein Referendum zur Verlängerung der Amtszeit des 70-jährigen Präsidenten Nursultan Nasarbajew bis zum Jahr 2020. Nach einer zentralasiatischen Anekdote wehrt sich ein Herrscher über den Antrag seiner Paladine, ihm eine „ewige Präsidentschaft“ zu bescheren, mit der Konzession, dass er mit „lebenslanger Präsidentschaft“ hingegen einverstanden wäre.

2010 hatte das rohstoffreiche Land zwischen kaspischen Meer und chinesischer Grenze den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und veranstaltete im Dezember ein pompöses Gipfeltreffen in Astana. Dazu reiste auch Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Die Staatschefs der USA und Europas beschworen dabei den Reformimpuls, den die kasachische OSZE-Präsidentschaft in dem zentralasiatischen Land, in dem bisher keine Wahl von der OSZE selbst als „frei“ und „fair“ bewertet wurde, ausgelöst habe. Nun macht sich Enttäuschung breit. „Mit einer solchen Verlängerung würde sich Kasachstan in Widerspruch zu den Prinzipien Demokratie und gute Regierungsführung setzen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Auch die USA protestierten: Eine solche Volksbefragung „würde ein Rückschritt für die Demokratie in Kasachstan bedeuten.“

Die letzten Präsidentschaftswahlen von 2005, welche die OSZE kritisiert hatte, gewann Nasarbajew mit 91 Prozent der Stimmen. Der noch aus der sowjetischen Elite stammende Herrscher regiert das zentralasiatische Land seit 1989. Für den kasachischen Analytiker Dosim Satpajew wurde die Unterschriftenaktion jetzt direkt vom Staat geleitet. „Anders ist es nicht zu erklären, das ein Drittel der Bevölkerung in so kurzer Zeit unterschreibt“, sagte er in Almaty. In drei Tagen fand die taz trotz intensiver Nachfrage in der kasachischen Wirtschaftsmetropole niemanden, der die Petition gezeichnet hätte. „Die Sammlung hat sich auf die Provinzen konzentriert“, sagt Satpajew. Per Telefon bestätigte in der westkasachischen Stadt Aktobe ein Student, dass dessen gesamte Familie auf Anraten von „oben“ unterschrieben hätte.

Nasarbajew hatte im Dezember eine entsprechenden Parlamentsforderung noch per Veto blockiert. „Er kann jetzt vor der Weltöffentlichkeit mit reinem Gewissen auf das Parlament verweisen“, erklärt Satpajew. Der Oppositionspolitiker Bulat Abilow wollte eigentlich bei der nächsten Wahl 2012 gegen Nasarbajew antreten. „Die Macht fürchtet die offene Diskussion in einem Wahlkampf“, sagt Abilow.