Irgendwie mal das Volk befragen

DIALOG Volkes Stimme interessiert alle Akteure zur Frage Olympia in Berlin. Nur: die Ideen sind umstritten – und viel Zeit bleibt nicht

Kann der Senat die BerlinerInnen verbindlich fragen, ob sie Olympia wollen? Im Rahmen der vom Deutschen Olympischen Sportbund gesetzten Fristen: ganz klar nein. Plebiszite, die nicht von den BürgerInnen selbst angestoßen werden, gibt es laut Landesverfassung derzeit nur in wenigen Ausnahmefällen, etwa bei einer Länderfusion.

Manchen Politikern schwebt nun aber ein neues Verfassungselement vor: eine von Regierung oder Parlament frei anberaumbare Volksabstimmung über konkrete politische Entscheidungen. So könnten etwa Großprojekte frühzeitig abgesichert werden. SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte am vergangenen Donnerstag zum öffentlichen Dialog über Fragen der Bürgerbeteiligung geladen – dabei nannte er den Weiterbau der A100 oder eben eine Olympiabewerbung als mögliche Beispiele für solche Abstimmungen.

Aber auch wenn Saleh die CDU ins Boot holen kann, reicht das noch nicht für eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, die für eine Verfassungsänderung erforderlich ist. Die Fraktionen von Grünen, Linken und Piraten zeigten Saleh aber schon bei seiner Dialogveranstaltung die kalte Schulter: Man hätte das doch vorher mit ihnen absprechen sollen, monierten sie in einem gemeinsamen Absagebrief.

Dabei gibt es in der Opposition durchaus Interesse an Reformen der Volksgesetzgebung. Er finde es „grundsätzlich richtig, dass sich der Senat nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld um dieses Thema kümmert“, so der rechtspolitische Sprecher der Grünenfraktion, Dirk Behrendt, zur taz. Von einem „Akklamationsplebiszit“, bei dem die Regierung über Fragestellung und Termin bestimmt, halte er allerdings nichts. Es müsste etwa darüber gesprochen werden, ob die Opposition eine Alternative zur Abstimmung stellen könne.

Behrendt schlägt auch vor, sich bei der Volksgesetzgebung an Hamburg zu orientieren: Dessen Verfassung sieht ein „fakultatives Referendum“ vor, wenn das Parlament ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz wieder ändern will. Die Hürden für einen neuerlichen Volksentscheid sind dann deutlich niedriger.

Der Verein Mehr Demokratie plädiert sogar für eine Erweiterung dieses Prinzips: Es müsse bei jedem Gesetz möglich sein, per Unterschriftensammlung ein Referendum zu erzwingen, erklärt Bundessprecher Michael Efler. In bestimmten Fragen, etwa bei der Privatisierung von Unternehmen der Daseinsvorsorge oder bei Großprojekten, solle eine Volksabstimmung sogar obligatorisch sein.

Dass nun Instrumente der Beteiligung auch in Bezug auf Olympia diskutiert würden, obwohl sich die Debatte mit den Fristen einer Bewerbung gar nicht vereinbaren lässt, findet Efler „typisch“. CLAUDIUS PRÖSSER