„Wenigstens müssen die sich rechtfertigen“

Ein angemessenes Urteil erwartet Barbara Oesterheld im Bankenprozess nicht – allein wegen der veralteten Wirtschaftsgesetze. Die grüne Ex-Parlamentarierin fürchtet, dass bei der Bevölkerung nur ein Ohnmachtsgefühl bleibt

taz: Frau Oesterheld, zu den Plädoyers im Bankenprozess sind Sie als Zuschauerin noch mal in den Gerichtssaal gegangen. Ist es eine Genugtuung für Sie, Klaus Landowsky auf der Anklagebank zu sehen?

Barbara Oesterheld: Ja, in gewisser Weise schon. Denn ganz egal, wie das Urteil ausfällt, die Angeklagten müssen sich wenigstens rechtfertigen für die Milliarden, die irgendwo verbuddelt wurden.

Rechnen Sie mit einer Verurteilung?

Nicht mit einer Verurteilung, die angemessen wäre. Ich weiß, dass das gerade im Wirtschaftsrecht schwierig ist. Aber dass der Richter die Angeklagten zur Verantwortung zieht, das erwarte ich schon.

Landowsky und Co. wird Untreue vorgeworfen. Sie sollen bei Krediten von 235 Millionen Euro an die Immobilienfirma Aubis nicht die wirtschaftliche Risiken berücksichtigt haben. In einem Nebenprozess geht es nur um 2,3 Millionen Euro Steuerhinterziehung im Zuge der Immobiliengeschäfte. Dort wurden zwei Angeklagte zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt …

… Steuerhinterziehung ist wesentlich leichter nachweisbar. Die Begriffe Betrug oder Untreue hingegen sind immer etwas schwammig, weil es meist nicht so eindeutig ist, wer was gewusst und wer was entschieden hat.

Reichen die Gesetze aus, um solche Vergehen zu fassen?

Hinter den Gesetzen steht eine falsche Philosophie. Wir mussten uns immer wieder anhören, schlechte Geschäfte seien nicht strafbar. Das stimmte vielleicht in einer Zeit, wo jemand selber davon betroffen war. Mittlerweile ist es in unserem Wirtschaftssystem aber so, dass die einen handeln und die anderen, Anleger, Aktionäre und dergleichen, darunter leiden. Darauf reagiert unser Wirtschaftsstrafrecht bisher nicht in angemessener Form.

Andere gern gebrauchte Ausreden sind: Ich war nur für rechtliche Konstruktion oder nur für wirtschaftliche Entscheidungen verantwortlich. Oder: Die Bankgesellschaft an sich war eine Fehlkonstruktion, dafür aber sei die Politik verantwortlich. Kann dieses Verantwortungsknäuel noch aufgedröselt werden?

Wir haben ja eine interessante Verquickung zwischen Politik und Wirtschaft – gerade mit Landowsky. Dass bei der Konstruktion der Bank Risiken in Kauf genommen wurden, ist klar. Dafür ist die Politik verantwortlich. Gleichwohl gibt das keinem Vorstand das Recht, bestimmte Geschäfte zu tätigen. Im Prozess ist aufgefallen, dass alle Angeklagten sich bemühen, deutlich zu machen, dass ein Vorstand oder ein Aufsichtsrat keine Verantwortung hat, weil stets nur Vorlagen von Sachbearbeitern durchgewunken werden. Dabei bekommen sie ihre hohen Gehälter doch wegen der großen Verantwortung.

In der Öffentlichkeit ist der Skandal kaum noch präsent.

Das sehe ich anders. Faszinierend ist, wie der Bankenskandal in den Köpfen der Menschen gespeichert ist. Da ist dieses Bild, dass die da oben sich mal wieder alles in die Taschen gesteckt haben. Die Affäre ist somit ein Topos für ein System, das man eigentlich so nicht will. Mich stört daran, dass alle in einen Topf geschmissen werden – gerade bei der Politik. Es wird nicht mehr unterschieden, wer sich wirklich bemüht, etwas anders zu machen, Sachen aufzuklären oder zu verhindern. Es gibt wenig Interesse am Ergebnis eines solchen Prozesses. Stattdessen bleibt ein Gefühl von Ohnmacht. Ich hab das Gefühl nicht. Ich finde, man muss dagegen was machen.

Interview: Gereon Asmuth