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Alles ist möglich

WINDSURF Mit Gitarre und Hammondorgel: Tennis, eine Band mit Trauschein aus Denver, spielte im gut besuchten Comet Club

Zwei Menschen gehen segeln und verlieben sich. Und musikalisch können sie auch miteinander

Tennis und Ausgehen, Brenda Lee und Tiffany, Segeln und Indierock: Geht das zusammen? Erstaunlicherweise ja. Wie am Samstagabend im gut besetzten Comet Club zu erfahren war. Dort haben nämlich Tennis gespielt ein Paar aus Denver, Colorado, USA, Alaina Moore und Patrick Riley, mit angehängtem Schlagzeuger, die sich erstaunlicherweise beim Segeltörn nähergekommen sind, wo doch Denver Galaxien von segeltauglichen Gewässern entfernt liegt und das eigentlich eher wie ein Witz klingt wie der von einer schweizerischen Marine.

Die Schweiz gewann den America’s Cup

Und doch hat die Schweiz einmal den America’s Cup gewonnen, was ein großer Segelwettbewerb ist, es ist also alles möglich, auch das Führen einer Ehe in einem Rockkontext, wie ja auch schon Yo La Tengo bewiesen haben. Und Moore und Riley, die nicht nur schön gegenläufig zum Publikum, sondern genauso schön gegenläufig zu ihrer eigenen Musik aussehen, nämlich nach den schicken Abgründen der achtziger Jahre, haben auf ihren Segeltörns so viel gemeinsame Erfahrung gesammelt, dass gleich ein Konzeptalbum daraus werden musste. Es heißt „Cape Dory“ und verbindet Texte übers Segeln mit einer Sixties-Motown-getauften, irgendwie irreal verschrobenen Surfmusik. Wenn man so will: Windsurf.

Alaina Moore hat eine für harmlosen Schrammelrock mutige, kratzige Stimme, eine Frisur wie Tiffany („I Think We’re Alone Now“), nennt aber Brenda Lee („I’m Sorry“), die in den sechziger Jahren eine große Country- und Rock-’n’-Roll-Sängerin war, als ein Vorbild. Spielt dazu eine unauffällige Orgel (Hammond!) und legt in den Spielpausen einen Stegreiftanz hin, der sehr nach Cheerleader-Vergangenheit aussieht. Süß, verwegen, toll. Verschiedene Welten, die per se nicht unbedingt cool sind, haben zu etwas Coolem zusammengefunden.

Ähnlich ihr Partner und Ehemann, Patrick Riley. Der spielt eine prima Schrammelgitarre, kann aber auch Surfläufe und sogar das Solo mit Akkorden, sieht tatsächlich aus wie Schorsch Kamerun, der einen neureichen Tennisspieler darstellt, hält die Gitarre dann auch wie einen Tennisschläger und weiß gar nicht, wie oft er von seiner Frau lächelnd angeschaut und angetanzt wird. Er dengelt einfach weiter glückselig vor sich hin. Ein Stefan Edberg des Indierocks. Dazu spielt der Schlagzeuger ein kleines, stoisches Schlagzeug.

Mit Einfachstem punkten

Dafür, dass die Geschichte ihrer musikalischen Paarwerdung erst ein paar Monate alt sein soll, haben Tennis schon ein gut informiertes Publikum. Das Band und Stücke kennt, die kleine Geografiereihe („South Carolina“, „Baltimore“) und den Minihit „Marathon“ schon beim ersten Takt bejubelt, also die CD vor Veröffentlichungstermin kennt oder sich die Kassettenversion, die am Merchandisingstand für 8 Euro angeboten wird, kauft. Sie wirkt tatsächlich unfassbar nett, hübsch ausgedacht, nie von Kunst- oder Modewillen angekränkelt, schön. Zwei Menschen gehen segeln und verlieben sich und stellen dabei fest, dass sie auch musikalisch miteinander können: Der eine mag die Beach Boys, die andere Brenda Lee, sie kann Orgel, er Gitarre, was sollen da noch Laptopsounds, Beats oder Samples, in dieser hochtechnisierten Welt lässt sich eben auch wieder mit Einfachstem punkten.

Auf Platte klingen die übrigens recht kurzen Stücke oft wie auf dem Boot aufgenommen oder mit dosenartigen Geräten, die den Staub von fünfzig Jahren tragen. Manchmal grenzt die Harmlosigkeit dieses Segeltuchglücks natürlich an Unerheblichkeit. Charmant bleibt das aber immer. RENÉ HAMANN

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