„Lass. Mich. Bitte. In. Ruhe.“

KONFLIKTTRAINING Eine Gröpelinger Grundschule übt, sich ohne Gewalt zur Wehr zu setzen

■ 47, ist Mitgründer und Vorstand des Vereins „Gewaltfrei Lernen“.

taz: Herr Henneke, warum müssen denn so kleine Kinder schon lernen, gewaltfrei Konflikte zu klären?

Oliver Henneke: Konflikte begleiten unser Leben und wir neigen dazu, diese mit Gewalt lösen zu wollen, wenn unser Handlungsrepertoire erschöpft ist, wir keine Worte mehr haben. Dann werden wir trotzig, schreien, beleidigen oder setzen uns sogar körperlich zur Wehr.

Aber das ist doch bei Kindergarten und Grundschulkindern völlig normal, dass sie nicht anders weiter kommen.

Das stimmt, aber dennoch ist es ja in unserer Gesellschaft ein unerwünschtes Verhalten, das sanktioniert wird. Kinder sollen ja lernen, bestimmte Werte zu entwickeln, sie sollen sich in unserer Gesellschaft zurecht finden und insbesondere keine körperliche Gewalt anwenden. Zu Hause lernen sie das häufig nicht mehr, manchmal einfach schon deshalb nicht, weil sie ohne Geschwister aufwachsen. Das muss dann eben die Schule auffangen.

Kinder lernen ja am besten, wenn sie Erwachsene als Vorbilder haben, denen sie nacheifern. Müssten sie nicht eigentlich den Lehrern und Lehrerinnen beibringen, sich anders Respekt zu verschaffen, als über autoritäres Verhalten und Sprechen?

In gewissen Maße tun wir das. Wir kommen ja nicht einfach mal für sechs Stunden vorbei, arbeiten mit den Kindern und verschwinden dann wieder, sondern schulen die Lehrkräfte darin, ihren Schülern und Schülerinnen beizubringen, wie sie Konflikte gut lösen können, wie sie deeskalierend handeln.

Haben Sie ein praktisches Beispiel?

Ich war gerade an einer Grundschule, auf die auch syrische Kinder gingen, erst vor sechs Wochen angekommen, schwer traumatisiert, ohne ein Wort Deutsch. Ein Junge entdeckte, dass ein anderer seine Jacke anhatte. Weil er sich sprachlich nicht mitteilen konnte, hat er an der Jacke gezogen, was der andere nicht verstanden hat und ihn zu treten began. Dem syrischen Jungen habe ich dann einen Stopp-Satz beigebracht: „Lass. Mich. Bitte. In. Ruhe.“  Int.: eib