Bush will mehr Militär

US-Präsident George W. Bush will die US-Armee vergrößern. Die Zahl der Soldaten soll steigen, um „den Extremismus“ besser zu bekämpfen

„Für die langwierige Schlacht müssen wir unsere Truppenstärke ausbauen“

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Angesichts der Herausforderungen beim Kampf gegen den islamischen Extremismus erwägt US-Präsident George W. Bush, die US-Streitkräfte personell zu verstärken. Der Krieg im Irak und in Afghanistan habe das Militär stark beansprucht, sagte er in einem Interview in der gestrigen Ausgabe der Washington Post. Er sei daher „geneigt, zu glauben, dass wir für die langwierige Schlacht gegen den Extremismus unsere Truppenstärke ausbauen müssen“. Eine Entscheidung werde er aber erst nach Beratungen mit dem neuen Verteidigungsminister Robert Gates fällen. Gates traf gestern, nur zwei Tage nach seinem Amtsantritt, überraschend im Irak ein. Bush sprach in dem Interview zudem erstmals nicht mehr von einem „Sieg“ der USA im Irak.

Die Vereinigten Staaten müssten besser auf einen „langen ideologischen Krieg“ gegen den Terrorismus vorbereitet sein, sagte Bush. „Es ist eine zutreffende Überlegung, dass dieser ideologische Krieg eine Weile dauern wird und dass wir ein Militär brauchen, das unsere Bemühungen unterstützt und uns hilft, Frieden zu schaffen“, betonte der Präsident in dem Interview. Er bezog sich dabei namentlich auf das Heer und die Marine-Infanterie. Zahlen und mögliche Kosten nannte Bush jedoch nicht. Mitarbeiter betonten, Bush habe nur vom Militär allgemein gesprochen, nicht vom Irak. Bush sagte, er habe den neuen Verteidigungsminister Gates beauftragt, zu prüfen, wie die Vergrößerung am besten umzusetzen sei.

Nachdem Bush in den letzten Wochen immer mehr unter den Druck von Kritikern beider Parteien und des Kongresses geraten war, rückte er in dem Zeitungsinterview zum ersten Mal von seiner bisherigen Haltung ab, nach der die USA den Krieg im Irak „gewinnen“. Gefragt, ob die USA auf der Siegerseite seien, antwortete Bush mit der Umschreibung von Generalstabschef Peter Pace: „Wir gewinnen nicht, wir verlieren nicht.“ Noch Ende Oktober, kurz vor den Kongresswahlen, hatte der Präsident erklärt: „Absolut, wir gewinnen.“ Bei einer Pressekonferenz gestern erklärte Bush, er habe sagen wollen, dass er vom Sieg überzeugt sei, aber wisse, dass die Situation im Irak schwierig sei.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums verfügen die US-Streitkräfte gegenwärtig über rund 1,4 Millionen Mann im aktiven Dienst. 1990 waren es noch rund 2 Millionen Soldaten. Die Mannstärke der US Army (Heer) ist dem Bericht zufolge seit 2001 bereits von 482.000 auf heute 507.000 erhöht worden und soll noch weiter auf 512.000 Mann steigen, berichtet die Zeitung weiter. Pro 10.000 zusätzliche Soldaten berechnet das Ministerium jährlich rund 1,2 Milliarden Dollar (rund 907 Millionen Euro) Mehrkosten.

Zu Wochenbeginn hatten US-Medien berichtet, dass Bush angesichts der sich weiter verschlimmernden Sicherheitslage im Irak die Entsendung von bis zu 30.000 zusätzlichen US-Soldaten für die Dauer von acht Monaten erwäge. Die Washington Post berichtete, ein Großteil der Stabschefs lehne jedoch eine generelle Entsendung neuer Soldaten in den Irak ohne klaren und neu definierten Auftrag ab. Das Weiße Haus erklärte dazu, Bush habe die Militärs angewiesen, eine „Reihe von Optionen“ durchzuspielen, „und das tun sie nun“, sagte Sprecher Tony Snow. Von einem Dissens könne keine Rede sein.

Über eine mögliche Änderung der Strategie im Irak, wie sie von der Baker-Hamilton-Kommission vorgeschlagen wurde, habe er noch nicht entschieden, sagte Bush in dem Interview.