KURZKRITIK: DEE-UNG MOON ÜBER „KÖNIG LEAR“
: Ein König verrennt sich

Schmiedleitner setzt auf effektvolle, action-geladene Bilder, nichts für Gemüter weich wie Pappe

Glaubt man Goethe, hat ein alter Mann stets etwas von einem König Lear. Im Hamburger Schauspielhaus ist das derzeit anders. Markus John spielt im Shakespeare-Drama über einen tragischen Generationswechsel eine vitale Königsfigur. Halbnackt hängt er anfangs an einem Seil und kreist herrisch über einer Karte des Reichs, das er seinen Töchtern zu vermachen gedenkt.

Ob kalkulierter Erwartungsbruch oder nicht – gerade hierin scheint sich die Inszenierung auch inhaltlich zu verrennen. Indem sie einen Bogen um die vielschichtige Zweideutigkeit der Hauptfigur macht, lässt sie eine Fallhöhe erst gar nicht entstehen. Lears selbstgerechter Zorn, der anfänglich eine Spur zu brutal wirkt, schlägt im zweiten Teil in plumpe Infantilität um.

Georg Schmiedleitners erste Inszenierung am Schauspielhaus setzt auf effektvolle, action-geladene Bilder. Nichts für Gemüter weich wie jene Pappe, die als Mauer auf der Bühne steht, und manchmal krachend birst. Doch was bisweilen szenisch funktioniert, findet im Fortgang der Handlung keine Linie. Der zweite Teil hat Längen. Auch wenn sich von der Rückwand her mit schwarzen Buchstaben das Wort „NO THING“ in jede Szene schreibt und damit plakativ die Endzeitstimmung des Stücks beschwört, bleiben die Bilder flüchtig und assoziativ. Der Inszenierung hätte mehr Strenge und Bündigkeit gut getan.