MARTIN TEIGELER über die neue ungeliebte Justizvollzugsanstalt in Ratingen

Irgendwo im Niemandsland an der Stadtgrenze zwischen Düsseldorf und Ratingen. Auf dem Gelände einer ehemaligen britischen Kaserne soll demnächst ein neuer NRW-Großknast entstehen. Der Rat der Stadt Ratingen beschloss am Dienstag Abend in nicht öffentlicher Sitzung, das Kasernengelände an der Stadtgrenze zu Düsseldorf für 4,75 Millionen Euro vom Bund zu kaufen. Bis Ende des Jahrzehnts soll hier der viertgrößte „Bau“ des Landes für 845 Häftlinge erbaut werden. Der neue Ratinger Knast darf aber nicht Ratinger Knast heißen. Das hat das Land NRW den Stadtoberen versprochen.

Eigentlich wollten die Stadtpolitiker in der rheinisch-bergischen 90.000-Einwohner-Kommune nämlich keinen Knast am Ort. Gefängnisse sind bei Lokalpolitikern ungefähr so beliebt wie Forensikkliniken oder Atomkraftwerke. Jedenfalls kam Ratingens Bürgermeister Harald Birkenkamp Anfang des Jahres zu den Verhandlungen mit Düsseldorfs OB Joachim Erwin und Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (beide CDU) und forderte Entschädigung für das entgangene Gewerbegebiet, das man statt des Kittchens hätte ausweisen können: Vom Land wollte er 6,5 Millionen Euro, von der Landeshauptstadt 35,7 Millionen. Doch Birkenkamp, Vertreter einer CDU-Abspaltung namens „Bürgerunion“, konnte den Knast nicht verhindern. Als Kompensation wird die Justizvollzugsanstalt (JVA) nun nicht nach Ratingen benannt. Zudem kassiert die Stadt 2,5 Millionen Euro vom Land und 60 Jahre lang Zinsen in Höhe von 235.000 Euro – für Birkenkamp eine „angemessene finanzielle Entschädigung“.

„Ich habe kein Verständnis, dass andere Parteien wie CDU, SPD, Bürgerunion und FDP anfänglich gegen den Knast waren“, sagt der linke Ratinger Stadtrat Manfred Evers. Er war im Prinzip für die JVA: „Strafvollzug ist eine gesellschaftliche Aufgabe, da kann man nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip dagegen sein.“ Die Bürger in Ratingen hätten mittlerweile auch größtenteils Verständnis für die neue JVA – „wenn man das richtig erklärt“, sagt Evers. Als Name dürfte sich der Begriff JVA Ratingen einbürgern: „Auch wenn der Bürgermeister das nicht will.“

Das neue Gefängnis heißt nun mit Arbeitstitel „JVA im Großraum Düsseldorf“ und soll als Ersatz für die baufällige Vollzugsanstalt Düsseldorf („Ulmer Höh“) sowie die ebenfalls alten Zweiganstalten der JVA Duisburg-Hamborn in Duisburg und Oberhausen dienen. „Das neue, hochmoderne Gebäude wird die räumliche Situation im Strafvollzug weiter verbessern“, sagt Justizministerin Müller-Piepenkötter. Nach dem Foltermord in der JVA Sieburg ist jeder Knast für die angeschlagene Ressortchefin zum Politikum geworden.

Dass die NRW-Knäste nicht leerer werden, deutete sich bereits nach der Ratinger Ratssitzung an. Beim anschließenden Bierchen in einer Gaststätte wurde Bürgermeister Birkenkamp von einem Unbekannten ins Gesicht geschlagen. Der Täter wurde festgenommen – ob er gegen den Knastbau protestieren wollte ist unbekannt. Dem Mann drohen nun bis zu drei Jahren Haft.