Robert Gates sondiert im Irak

US-Verteidigungsminister lotet bei einem Besuch in Bagdad Möglichkeiten für eine neue Militärstrategie aus. Ein Großteil der Stabschefs des US-Militärs ist gegen eine Aufstockung der Streitkräfte. Vertreter der Demokraten zu Gesprächen in Syrien

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Während in Washington am Mittwoch Präsident George W. Bushs neue alte Siegesrhetorik hinsichtlich des Kriegs im Irak seziert wurde, machte sich der neue US-Verteidigungsminister Robert Gates bereits in Bagdad kundig. Gates war am Mittwoch überraschend im Irak eingetroffen, um mit amerikanischen und irakischen Kommandeuren sowie Politikern über die Zukunft des US-Einsatzes zu beraten. Viel Zeit hat er nicht, um sich ein „ungeschminktes Bild“ der Lage zu machen, denn Bush erwartet von ihm so bald wie möglich einen Vorschlag für eine neue Strategie für die Irakmission.

Die Reise Gates, der am Montag vereidigt worden war, ist auch ein erster Test für seine Vermittlungsfähigkeit zwischen der zivilen und der militärischen Führung des US-Militärs. Bush, der auch oberster Befehlshaber der US-Armee ist, hatte vorgeschlagen bis zu 30.000 zusätzliche Soldaten für eine Dauer von bis zu acht Monaten nach Bagdad zu entsenden, um die Lage dort unter Kontrolle zu bringen.

Laut Medienberichten ist ein Großteil der Stabschefs des US-Militärs gegen eine Aufstockung. Der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irak, General George Casey, betonte, dass er den Vorschlag, zusätzliche Soldaten zu schicken, nicht generell ablehne. Die Truppen sollten aber nur zu einem klar definierten Zweck in den Irak verlegt werden. Zahlen oder Zeitpläne wurden nicht genannt.

Der Krieg im Irak hat die USA mehr als 300 Milliarden Dollar gekostet, fast 3.000 US-Soldaten wurden getötet. Das Pentagon will weitere 99,7 Milliarden Dollar (76 Milliarden Euro) für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan beantragen, meldete die Nachrichtenagentur AP am Mittwoch. Wird die Summe genehmigt, stiege der Gesamtetat für die Kriege allein in diesem Jahr auf 170 Milliarden Dollar (130 Milliarden Euro).

Unterdessen versuchen auch US-Demokraten erste Schritte in Richtung einer Strategieänderung der USA im Mittleren Osten zu unternehmen. Die US-Senatoren John Kerry und Chris Dodd teilten nach einem Treffen mit dem syrischen Präsident Baschar al-Assad in der syrischen Hauptstadt Damaskus mit, dass Assad seine Bereitschaft zu einer Verständigung mit den USA ausgedrückt habe. Assad sei bereit, „eine Grundlage für eine Verständigung zu suchen“ und „Themen von gemeinsamem Interesse“ zu sondieren, sagte Kerry am Donnerstag. Bei dem Gespräch seien vor allem drei heikle Themen angesprochen worden. Das seien die Kontrolle der Grenzen zum Irak, um Finanzströme, Waffenlieferungen und das Einsickern von Aufständischen zu unterbinden. Das sei ein Ende der Unterstützung von Hisbollah, Hamas und anderen Organisationen mit Geld und Waffen sowie die Respektierung der Integrität des Libanon.

Die Baker-Hamilton-Kommission hatte in ihren Empfehlungen für eine neue Irakstrategie einen Dialog Washingtons mit Syrien und dem Iran vorgeschlagen. Bush schloss dies am Mittwoch erneut aus.