Ein Herz für alte Meiler

Nicht nur EnBW will einen betagten Reaktor weiterbetreiben. Auch RWE und Vattenfall knabbern am Ausstieg

RWE-Power-Chef Zilius: „Damit schaffen wir einen zeitlichen Spielraum für die Diskussion“

BERLIN taz ■ EnBW ist nicht der erste Energiekonzern, der einen alten Atomreaktor länger laufen lassen will als einst mit der rot-grünen Bundesregierung vereinbart wurde. Bereits im September hat RWE beim Bundesumweltministerium einen ähnlichen Antrag für Biblis A gestellt.

Der Meiler ist zwei Jahre älter als Neckarwestheim und wird voraussichtlich 2008 das ihm zugeteilte Produktionskontingent erfüllt haben. Jetzt sollen aber noch mal 30 Terrawattstunden vom nie richtig gelaufenen AKW Mülheim-Kärlich sowie 30 Terrawattstunden vom AKW Emsland hinzukommen. So will RWE Biblis A bis 2011 – also bis nach der kommenden Bundestagswahl – laufen lassen. Anders als sein Kollege Utz Claassen von EnBW, der den Antrag für Neckarwestheim nicht aus politischen Gründen gestellt haben will, machte RWE-Power-Chef Jan Zilius kein Hehl aus dem Hintergrund des Antrages. „Damit wird der zeitliche Spielraum geschaffen, die Diskussion über das energiepolitische Konzept unter Berücksichtigung der Rolle der Kernenergie ergebnisoffen zu führen“, begründete er damals. Das ist ein klarer Versuch, den beschlossenen Atomkonsens anzuknabbern und den Streit in der Bundesregierung über den Energiemix der Zukunft anzufachen. Der Antrag wird gegenwärtig vom Bundesumweltministerium geprüft.

Erst RWE, dann EnBW – manch einer vermutet eine konzertierte Aktion der großen vier Energiekonzerne gegen den Atomkonsens. Denn tatsächlich gibt es auch bei Vattenfall Überlegungen, im kommenden Jahr einen solchen Antrag für das Atomkraftwerk Brunsbüttel zu stellen. Vattenfall-Vorstand Reinhardt Hassa hatte im September gesagt, AKWs könnten nicht nur 32 Jahren, sondern auch 40 bis 50 Jahre sicher laufen.

Dabei war ausgerechnet Brunsbüttel nach dem schweren Störfall im schwedischen Reaktor Forsmark in die Kritik geraten. Die deutschen Behörden sahen Parallelen bei der Notstromversorgung, deren Ausfall in Forsmark nach Ansicht von Fachleuten fast zu einem GAU geführt hatte. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte erklärt, in dem Atomkraftwerk an der Elbmündung könne es zu ähnlichen Problemen kommen wie in Schweden. step