Mit Zwang zur Ausbildung

Ausbildungspakt zieht durchweg positive Bilanz: Fast 1.000 Lehrstellen mehr als im Vorjahr. Darin eingerechnet ist das Senatssonderprogramm mit 775 Stellen. DGB: Es fehlen 5.000 Plätze

VON KAIJA KUTTER

Am letzten Werktag vor Weihnachten hatten die Akteure des Hamburger Ausbildungspakts gestern zur Bilanzpressekonferenz geladen, um ihre frohe Botschaft noch unterm Tannenbaum zu platzieren. 2006 sei ein „Rekordjahr für Hamburg“, freute sich Handelskammerpräsident Karl-Joachim Dreyer. Die Hamburger Wirtschaft bildet mit 11.514 Lehrlingen in diesem Jahr so viele junge Leute aus „wie seit zehn Jahren nicht“. Und es sei geglückt, jedem Schulabgänger, der ausbildungswillig und -fähig ist, ein Angebot zu machen.

Im Vorjahr waren noch 960 Lehrstellen weniger angeboten worden. Den Löwenanteil der Steigerung macht das Sonderprogramm des Senats für benachteiligte Jugendliche mit 878 Plätzen aus, von dem derzeit 755 mit jungen Leuten besetzt sind. Davon haben gut die Hälfte Migrationshintergrund.

Unversorgte Bewerber gibt es nach Auskunft von Arbeitsagentur-Chef Rolf Steil fast keine mehr. Nur 375 befänden sich noch in der Beratung, von denen 100 mitgeteilt hätten, sie „wünschten keine Vermittlung“. Agentur und Kammern hatten im November 1.200 Jugendliche zu einer Nachvermittlungsaktion eingeladen, bei der 611 Jugendliche erschienen. 314 von ihnen wurde eine „Einstiegsqualifikation“ – EQJ genannt – angeboten. Das ist ein vom Staat bezahltes Praktikum, das laut Handelskammer in zwei von drei Fällen in einen Ausbildungsplatz umgewandelt wird. „Wir suchen händeringend Bewerber“, sagte Handwerkskammerpräsident Peter Bescker in einem eindringlichen Appell an junge Leute ohne Ausbildung. Die Wirtschaft bietet 900 EQJ an, von denen noch 730 unbesetzt sind.

Ein ganz anderes Bild zeichnete gestern der DGB, der davon ausgeht, dass mindestens 5.000 reguläre Ausbildungsplätze fehlen. „Bewerber und tatsächlich Lehrstellensuchende sind nach der kruden Definition der Arbeitsagentur zweierlei“, bemerkte DGB-Chef Erhard Pumm. Denn in die Bewerberstatistik gelangten nur Jugendliche, die nach Kriterien der Arbeitsagentur als „ausbildungsreif“ gelten. „Alle anderen werden aussortiert. Doch auch sie sind da und suchen nach einer Perspektive für einen Einstieg ins Berufsleben.“ Die Dimensionen, die der DGB hier anführt, sind eindrucksvoll: So wurden 2006 von rund 32.000 Ratsuchenden zum Beispiel nur 8.500 in die Bewerberstatistik aufgenommen.

Für den DGB ist das Problem deshalb mit der Einstiegsqualifikation nicht gelöst, würden doch auch diese mit Realschülern und sogar Abiturienten besetzt. Pumm: „Die wirklich schwachen Schulabgänger gehen weiter leer aus.“ Er befürchtet sogar, dass EGJ reguläre Lehrstellen verdrängen könnte. In Kreisen des Ausbildungspakts reagiert man auf die DGB-Kritik verärgert. Zwar räumt Steil ein, dass es seit 2004 schärfere Kriterien bei der Berwerberanerkennung gibt. Dies sei aber bundesweit vereinbart worden. Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) erklärte, die Schulen könnten „selbstbewusster“ sein, weil inzwischen durch viele Maßnahmen wie Praxislerntage die Ausbildungsreife der Schüler gesteigert worden sei. Auch sie glaubt, dass es in diesem Jahr weniger unversorgte Schulabgänger gibt, weil es bei den so genannten „Warteschleifen“, den beruflichen Vollzeitschulen, einen Rückgang von elf Prozent gab. Weil sie glaubt, „dass Eltern ihre Kinder davon abhalten, sich für eine Lehrstelle zu bewerben“, solle künftig kein Schüler mehr an Berufsfachschulen aufgenommen werden, „der nicht nachweisen kann, dass er sich um einen Ausbildungsplatz bemüht hat“.