Ein ziemlich dicker Pflock

TARIFKONFLIKT Die Gewerkschaft der Lokführer will künftig das gesamte Fahrpersonal vertreten. Weder die konkurrierende DGB-Gewerkschaft noch die Deutsche Bahn dürfte das gerne sehen

BERLIN taz | Der 30. Juni ist für die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ein magisches Datum. An diesem Tag läuft der Grundlagenvertrag aus, in dem die Deutsche Bahn AG, die Spartengewerkschaft GDL und die zum DGB gehörende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vor sechs Jahren vereinbart hatten, dass die GDL auf die tarifliche Vertretung der Lokführer beschränkt bleibt.

Die bereits damals erhobene Forderung nach einem Vertrag für das gesamte Fahrpersonal war somit auf Eis gelegt. Zugbegleiter, Mitarbeiter der Bordgastronomie, Instrukteure und Verkehrsdisponenten sind noch vom EVG-Tarifvertrag erfasst. Das will die GDL jetzt ändern. In der kommenden Tarifrunde strebt sie für diese Berufsgruppen und die Lokführer einen einheitlichen Tarifvertrag an. Gefordert werden unter anderem eine Lohnerhöhung um 5 Prozent, die Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden sowie Verbesserungen bei Schichtarbeit und Überstunden.

Das klingt nicht nach einer sonderlich dramatischen Tarifrunde, doch der Eindruck täuscht. Denn die GDL rechnet mit erbittertem Widerstand der Bahn und der EVG gegen eine Ausweitung ihres Tarifbereichs über die Lokführer hinaus. Der bevorstehende Konflikt hat schließlich eine hochpolitische Dimension. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht ein Gesetz vor, das Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften in einem Betrieb ausschließen soll. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob die damit einhergehende Einschränkung des Streikrechts mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Bislang hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wohl auch deshalb noch keinen Entwurf vorlegen können. Und auch der DGB, der ursprünglich auf ein Tarifeinheitsgesetz pochte, leitete eine Kehrtwende ein und lehnt jetzt jede Einschränkung des Streikrechts ab. Mit einem Fahrpersonaltarifvertrag würde die GDL allerdings einen ziemlich dicken Pflock einschlagen, woran weder die Bahn noch die EVG Interesse haben kann.

Bei der EVG gibt man sich dennoch gelassen. Man werde im Juli eigene Forderungen für die Tarifrunde verkünden und dann sehen, was die Verhandlungen erbringen, sagte ein Sprecher.

RAINER BALCEROWIAK