Nachhaltige Horrorszenarien

Streit um Fischfangquoten in Nord- und Ostsee: Die Hamburger Bundesforschungsanstalt für Fischerei wirft allen Seiten Polemik vor und fordert weitere Reduzierungen. Mecklenburg-Vorpommern aber will mehr Dorsche fangen

Mit ungewöhnlich forschen Worten haben die Wissenschaftler der Bundesforschungsanstalt für Fischerei „die Polemik der unzähligen Interessenvertreter“ kritisiert. Mit „Horrorszenarien“ würden, monierten Siegfried Ehrich und Hans-Joachim Rätz vom Hamburger Institut gestern in einer ausführlichen Erklärung, „Politiker, Wissenschaftler, Umweltschutz- und Fischereiverbände“ nur die Verunsicherung bei Verbrauchern und Fischern erhöhen.

„Die Fakten“ seien jedoch durchaus differenziert: In den Seegebieten der EU gebe es „noch mindestens 300.000 Tonnen Kabeljau, 250.000 Tonnen Schollen und 60.000 Tonnen Seezungen“. Deshalb sei zurzeit keine der drei Fischarten „vom Aussterben bedroht.

Allerdings sei die Fischerei „nicht nachhaltig“ und eine Erholung der Bestände „deshalb unwahrscheinlich“. Eine Reduzierung der Fangquoten um etwa 50 Prozent sei erforderlich, um „mittelfristig Bestandserholungen bei gleichen oder sogar höheren Erträgen zu sichern“.

Die Agrarminister der Europäischen Union hatten am Donnerstag beschlossen, die erlaubten Fangmengen im nächsten Jahr für einzelne Fischarten nur geringfügig zu senken. Vor allem für den Kabeljau oder Dorsch befürchten Naturschützer deshalb das Aussterben. Der Zusammenbruch der Populationen sei absehbar, weil viel zu viele dieser Fische gefangen würden. Zudem würden auch Jungtiere gefangen, die noch nicht gelaicht haben (taz berichtete).

Für die Hamburger Fischforscher hingegen sind die reduzierten Quoten ein wenn auch „zögerlicher Schritt in die richtige Richtung“. Mehr Einsatz für eine nachhaltige Nutzung sei aber unumgänglich: „Je mehr sich alle für eine nachhaltige Bewirtschaftung einsetzen“, so Ehrich und Rätz, „desto eher können wir und unsere Kinder morgen wieder mehr Kabeljau, Scholle und Seezunge essen.“

Über eine Erhöhung der Heringsquoten in der Ostsee freute sich gestern Till Backhaus, SPD-Agrarminister der Großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern. Nach dem EU-Beschluss dürfen 2007 in der westlichen Ostsee rund 27.300 Tonnen Hering und damit rund 1.000 Tonnen mehr als in diesen Jahr gefangen werden. Auch für die östliche Ostsee wurde die Fangmenge leicht erhöht.

Zugleich kritisierte Backhaus, dass beim Dorsch die Fangquote um 770 Tonnen leicht gesenkt und die Schonzeit um 20 Tage verlängert wurde. Die Aufteilung der Fangmengen auf die einzelnen Bundesländer werde im Januar von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung festgelegt.

Backhaus kündigte an, sich vor allem für einen höheren Dorsch-Anteil für die Fischer in Mecklenburg-Vorpommern einzusetzen. Diese hatten in den vergangenen Jahren immer wieder beklagt, im Verhältnis zu ihren Kollegen in Schleswig-Holstein benachteiligt zu werden. Bisher erhalten sie 70 Prozent, ihre westlichen Nachbarn 30 Prozent. Sven-Michael Veit