Der König der Welt krächzt für die Kinder

Es begibt sich alltäglich im Kinderzimmer, dass die lieben Kleinen Geschichten auf Kassetten lauschen. In Charlottenburg entsteht das pädagogisch angehauchte Hörspiel „Elea Eluanda“. Die Rolle der Tröstereule Zechy spricht die deutsche Stimme von Leonardo DiCaprio

Von Sebastian Kretz

Vier erwachsene Menschen stehen im Kreis und streiten sich. Sie sprechen Arambolisch. Kiribati, ein rotgesichtiger Herr mit Schnauzbart, regt sich mächtig auf: Er beschuldigt Elea, ein elegantes Mädchen, und Ravi, einen großen Mann im Kapuzenpulli, auf einem Einhorn in seine Bibliothek geritten zu sein. Der Vierte, ein untersetzter Mann mit rasiertem Kopf und Brille, hält sich für eine sprechende Eule und mischt sich überall ein.

Die vier Erwachsenen sind gesund. Hier, im Studio der Firma Kiddinx in Charlottenburg, nehmen sie eine Folge des Kinderhörspiels „Elea Eluanda“ auf. Elea ist ein dreizehnjähriges Mädchen aus der Kleinstadt Altenberg. Sie sitzt im Rollstuhl. Eine blaue Eule namens Zechy führt sie in die magische Welt Arambolien, wo Elea wieder laufen kann. Zusammen mit ihrem indischen Freund Ravi muss sie sich dort mit dem heimtückischen Magier Kiribati herumschlagen.

Der untersetzte Mann, der die Eule Zechy spricht, heißt Gerrit Schmidt-Foß. Er quasselt selbst ständig und zieht gern Grimassen – eine gute Voraussetzung für seine schwierige Rolle. Denn mit dem pausenlosen Eulenkrächzen ist es nicht getan. Zechy hält sich auch noch für einen begnadeten Sänger. „Zu Unrecht“, betont Schmidt-Foß. In dieser Folge hat die gefiederte Nervensäge sich auch noch eine Erkältung eingefangen. Und als wäre das nicht genug, spricht sie auch noch ausschließlich die Fantasiesprache Arambolisch: „Unibum Pastillibum Antigripponi nach Rezeptibum Arambolicum. Aber mikko mankiert noch mutschomatsch Zeugel.“ Schmidt-Foß hat einiges zu tun: Krächzen, dabei eine verstopfte Nase simulieren und schließlich laut niesen.

Für ihn und die anderen Sprecher ist es wichtig, sich mit der Rolle zu identifizieren. „Die Tröstereule ist sehr vorlaut und muss immer im Mittelpunkt stehen, obwohl sie gar nicht so wichtig ist. Das trifft auf mich als Schauspieler natürlich auch zu“, sagt Schmidt-Foß. Es gebe jedoch auch Unterschiede: „Im Gegensatz zu Zechy weiß ich aber, dass ich nicht singen kann.“

Erst nach der Aufnahme darf der 31-Jährige wieder mit seiner normalen, weichen und hellen Stimme sprechen. Kinogängern dürfte sie bekannt vorkommen: Sie erklingt zum Beispiel, wenn Leonardo DiCaprio vom Bug der Titanic ruft: „Ich bin der König der Welt!“ Schmidt-Foß ist nämlich die deutsche Stimme des Hollywoodbeaus DiCaprio.

„Hörspiele für Kinder aufzunehmen macht aber mehr Spaß“ als die Synchronisation der Hollywoodfilme, der der Hauptteil seiner Arbeit ist. „Die Hörspiele kitzeln die eigene Fantasie heraus“, sagt der 31-Jährige. Zechy seine Stimme zu leihen sei zudem oft anstrengender als die Filmsynchronisation. „Ich bin abends sehr erschöpft. Für diese Rolle muss ich die Wörter richtig nach oben quetschen“, erklärt der 31-Jährige, der mit sechs Jahren seine erste Hörspielrolle im Radio gesprochen hat.

Wie viele in der Hörspielbranche hat auch die Regisseurin von Elea, Angelika Maiworm, ihre Karriere beim Radio begonnen, als Moderatorin. Die Produktion der Kindergeschichten ist harte Arbeit: „Die Sprachaufnahmen müssen wir an einem Tag fertig stellen.“ Unter Zeitdruck müsse sie besonders darauf achten, den Charakter einer Figur nicht zu verändern, sagt Maiworm. Der bösartige Zauberer Kiribati darf etwa nicht plötzlich Züge eines gütigen Großvaters zeigen.

„Die Kinder hören sich ihre Lieblingsszenen immer wieder an. Widersprüche bemerken sie sofort“, weiß Maiworm. Die Regisseurin eilt ständig zwischen Mischpult und Aufnahmeraum hin und her, um sogenannte Anschlussfehler zu vermeiden. Mal ist unklar, wie ein arambolisches Wort in der letzten Folge ausgesprochen wurde, mal hat ein Sprecher Ravis Nachnamen – Rajagopala – falsch betont.

Die Hörspiele werden nach wie vor gern auf Kassetten ausgeliefert. „Die sind einfach robuster. Ein Kassettenrekorder mit großen Tasten hält das ständige Zurückspulen besser aus als ein CD-Spieler“, erklärt Gabriele Salomon, Geschäftsführerin von Kiddinx. Die Firma produziert seit 1977 Hörspielkasetten. Mit dem Elefanten Benjamin Blümchen hat es angefangen, später kam Bibi Blocksberg hinzu. In einer Geschichte über die kleine Hexe tauchte auch erstmals Elea Eluanda auf, die es in den letzen Jahren selbst auf vierzehn Folgen brachte. „Pro Jahr erscheinen zwei bis sechs Kassetten einer Reihe. Das hängt davon ab, wie schnell die Autorin sich neue Geschichten ausdenkt“, sagt Salomon. Die Kiddinx-Hörspiele stammen alle aus der Feder von Elfie Donnelly, einer österreichisch-englischen Schriftstellerin.

Neuere Hörspiele wie „Elea“ greifen bewusst ernste Themen wie Integration oder das Leben mit einer Behinderung auf. „Unsere Hörspiele sollen Werte wie Freundschaft und gegenseitige Hilfe vermitteln“, sagt Salomon. Im Vordergrund stehe aber die Unterhaltung. Die Fantasiesprache Arambolisch übt auf die jungen Hörer eine besondere Faszination aus. Salomon ist überzeugt: „Kinder mögen Geheimsprachen. Sie verstehen ganz schnell, was gemeint ist.“