erzählte geschichte 1: Die Supertrompete
Steven war ein ganz normales Kind. Er wollte auch gar nichts anderes sein, doch seinen Eltern schien klar, dass ihr Sohn etwas Besonderes war, und man konnte sie auch verstehen.
Irgendwann hatte Clark Kent eine Selina Kyle, oder besser hatte Superman Catwoman kennen gelernt. Sie mochten sich, gründeten eine Familie und wenig später kam der kleine Steven auf die Welt. Alle warteten gespannt auf die Superfähigkeiten von Supersteven. Doch nichts geschah. Steven lernte spät laufen, früh sprechen, war nicht klein, aber auch nicht stark. Er konnte weder Gedanken lesen noch sein Zimmer aufräumen. Er war einfach nur ein normales Kind.
Seine Eltern liebten ihn, aber dennoch spürte Steven, dass er ihren Erwartungen nicht gerecht wurde, und Weihnachten wurde dies besonders deutlich. Er bekam nie normale Geschenke, immer nur Supergeschenke und so bangte es ihm vor Heiligabend, doch irgendwann war es so weit.
Nach leckerem Braten und anschließendem Spaziergang traf man wieder zu Hause ein und unter dem Weihnachtsbaum fanden sich schon eine Menge Geschenke und die Eltern drängten ihn, gleich alle zu öffnen.
Zunächst das Geschenk des Vaters. Etwas Weiches, es musste also etwas zum Anziehen sein. Na toll. Ein Umhang, wie Vater ihn hatte. Eine Spezialanfertigung, mit der nun auch Steven endlich fliegen können würde oder zumindest doch sehr hoch springen, denn dies war die geheime Wirkung dieses Prunkstückes. Das Geschenk der Mutter war ein liebevoll verpackter Fingerhut mit Aufsätzen. Sie erklärte, dass es sich um messerscharfe Diamanten handelte, mit denen sich wirklich alles schneiden ließe.
Ein riesiger großer Karton in grünem Papier verbarg ein Netz und ein beiliegender Zettel erklärte: „Lieber Steven, viel Glück bei der Verbrecherjagd. Wirf das Supernetz einfach auf die Ganoven, den Rest macht es von ganz allein. Dein Peter“. Peter Parker, oder Spiderman, war ein guter Freund der Familie.
Im vierten Geschenk fanden sich Knallteufel, die einen schönen Nebel verursachten. Praktisch, wenn man Verbrechern auf Batmanart nachstellte. „Dein Bruce.“ Das letzte Geschenk war eine längliche Schachtel und enthielt einen stabilen schwarzen Kasten. Steven öffnete ihn und fand darin eine Trompete. Sogleich ermunterte die Mutter den Jungen, hineinzublasen. Steven setzte an und alle erwarteten, dass nun von ganz allein ein tolles Konzert ertönen würde.
„Tröööt!“ Erschrocken hielten sich beide Eltern die Ohren zu. „Probier’s noch mal“, forderte ihn der Vater auf. „Tröööt.“ Nichts zu machen. Der Ton war unförmig und die Eltern verstimmt. „Trötötötöt.“
„Oje!“, entfuhr es dem Vater, „vielleicht gehst du zum Spielen besser nach nebenan, ja?“ Gern leistete Steven diesem Wunsch Folge. So viel hatte er schon verstanden – das war eindeutig keine Supertrompete und von alleine machte die gar nichts. Mit anderen Worten: eine ganz normale Trompete. Wer ihm die wohl geschenkt hatte, fragte er sich, während er strahlend in sein Zimmer stürmte. Dasselbe fragten sich allerdings auch die Eltern und nahmen einen Zettel aus den Resten des Geschenkpapiers, auf dem geschrieben stand: „Viel Spaß beim Üben. Dein Weihnachtsmann“.
Ausgedacht und aufgeschrieben für seine Geschichtenhefte von Tilo Pätzolt (Siehe Seite 17)
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