„Vor uns lag ein weißes Blatt Papier“

TSG Hoffenheim. Regionalliga Süd. 3.274 Einwohner. Das ist doch nichts gegen Champions League mit Schalke! Für Ralf Rangnick schon. Denn in Hoffenheim kann er den Fußball aufbauen. Der Ex-Bundesliga-Trainer über neue Freiheiten, deutsche Häme und sein Ziel Bundesliga

INTERVIEW THILO KNOTT

taz: Herr Rangnick, was machen Sie 2011?

Ralf Rangnick: Ich hoffe, dass ich mit der TSG Hoffenheim dann in der Bundesliga spiele. Mein Ziel ist es, und daraus habe ich nie einen Hehl gemacht, dahin zurückzukehren, wo ich hergekommen bin.

Sie haben einen Fünfjahresvertrag unterschrieben mit der klaren Zielsetzung: Bundesliga. Wo nehmen Sie die Gewissheit her, dass man in Hoffenheim, einem 3.274-Einwohner-Nest, den deutschen Fußball revolutionieren kann?

Es ist nicht meine Intention, den deutschen Fußball zu revolutionieren. Ich sehe in Hoffenheim nur die Möglichkeit, ohne Rücksicht auf irgendwelche Sachzwänge, Vorurteile und Machtinteressen eine Mannschaft, ja letzten Endes einen ganzen Verein so aufzubauen, zu entwickeln und durchzustrukturieren, wie es meinen Vorstellungen entspricht. Ich weiß nicht, ob ich die Energie aufgebracht hätte, wirklich ganz unten, bei null, anzufangen.

Bei null hieße etwa bei Viktoria Backnang anfangen. Bezirksliga. Wie zu Beginn Ihrer Trainertätigkeit.

Genau. Hoffenheim war in der Regionalliga, die zweite Mannschaft spielt Oberliga, alle Jugendmannschaften bis zur U 14 in der höchsten Jugendliga. Jetzt geht es darum, das Ganze auf ein noch höheres Niveau zu bringen. Und dabei kann ich auf meinen gesamten Erfahrungsschatz zurückgreifen.

Sie waren sieben Jahre Bundesliga-Trainer.

Ich meine, nicht nur das. Ich habe es zwar nie nachgeprüft, aber ich bin im Profifußball wahrscheinlich der einzige Trainer, der von der Bezirksliga bis zur Bundesliga und darüber hinaus alle Altersstufen von der D-Jugend bis zur A-Jugend trainiert hat. Mit dieser Erfahrung leite ich in Hoffenheim jetzt erstmals ein ganzes Projekt. Ich bin ja hier nicht nur der Trainer der ersten Mannschaft.

War das die Motivation, nach Hoffenheim zu gehen? Nicht nur der austauschbare Bundesliga-Trainer zu sein?

In gewisser Weise ja. Wenn man auf Schalke Trainer war, dann gibt es nicht viele Steigerungsmöglichkeiten im deutschen Fußball. Klar wäre irgendwann wieder ein Bundesligist auf mich zugekommen. Dann hätte ich den üblichen Zweijahresvertrag unterschrieben. Egal ob bei Köln, Gladbach oder Wolfsburg.

Und was wäre passiert?

Leverkusens Vorstandsvorsitzender Wolfgang Holzhäuser wurde unlängst einmal zitiert, Trainer seien temporäre Erscheinungen. Unter Umständen hätte ich also in mehr oder weniger großen Zeitabständen das Gleiche erlebt wie bei meinen bisherigen Stationen in Stuttgart, Hannover oder Schalke.

Sie wollten sich den Gesetzmäßigkeiten des Bundesliga-Geschäfts entziehen?

„Entziehen“ ist mir zu negativ. Ich sage ja nicht: Ich habe die Schnauze voll von der Bundesliga. Die Bundesliga ist für mich immer noch eine sehr große Faszination. Deshalb will ich ja so schnell wie möglich wieder dorthin zurück.

Aber?

Ich stand vor einer Grundsatzentscheidung. Und selbst als mich Dietmar Hopp …

SAP-Gründer, Milliardär, früher Spieler, jetzt Finanzier der TSG Hoffenheim …

… überzeugt hatte von seiner Vision, da musste ich noch mal eine Nacht drüber schlafen.

Wie haben Sie geschlafen?

Gut, weil ich die Grundsatzfrage schnell beantwortet hatte.

Nämlich?

Was kann in Deutschland passieren, was reizvoller sein könnte, als nach Hoffenheim zurück in die Regionalliga zu gehen und dort eine Mannschaft und einen Verein aufbauen zu können?

Die Antwort?

Für mich war das der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Weil es für mich das Gegenteil von Rückschritt war.

Das müssen Sie erklären.

Es ist absolut einmalig, mit so vielen Freiheiten und Kompetenzen ausgestattet zu sein, die es ermöglichen, auf einem ausschließlich von ausgesuchten Fachleuten selbstgewählten und bestimmten Weg ein Ziel zu erreichen. Somit ist der Weg zwar nicht vorbestimmt, sehr wohl aber das Ziel Bundesliga klar definiert sowie der Zeitrahmen abgesteckt, in dem dieses Ziel erreicht werden soll. Wir führen den Verein, als wäre es unser eigener Verein, als wäre es unser eigenes Geld, mit dem wir umgehen. Ich hatte als Trainer nie so viele Freiheiten, wie sie mir Dietmar Hopp gegeben hat. Das gibt es kein zweites Mal in Deutschland.

Sie fühlten sich bisher immer in Ihren Freiheiten eingeschränkt?

Diese Freiheit wird auch in Hoffenheim begrenzt durch klare Bedingungen, die ein klar definiertes Ziel beinhalten und den Ausbau und die Verbesserung von den Dingen, die in der Vergangenheit aufgebaut wurden. Solche umfassenden Möglichkeiten konnte mir kein anderer Verein bieten.

Meinen Sie die Möglichkeit, mit Hockey-Weltmeister-Trainer Bernhard Peters zusammenarbeiten zu können?

Nachdem ich den Vertrag zusammen mit Dietmar Hopp unterschrieben hatte, lag ein weißes Blatt vor uns. Auf dem stand dann mein Name und der von Jochen Rotthaus, unserem Geschäftsführer. Sonst nichts. Wir hatten keinen Manager, keinen Arzt, keine Physiotherapeuten, keinen Co-Trainer, keinen Athletiktrainer, keinen Torwarttrainer, kein Funktionsteam. Gar nichts. Das ist eigentlich keine gute Ausgangsposition knapp zwei Wochen vor Trainingsbeginn. Aber wir konnten uns das komplette Team selbst zusammensuchen. Und Hoffenheim hat natürlich einen ganz großen Vorteil.

Welchen?

Die ganzen Traditionsvereine müssen oftmals genau diese Tradition als Gepäck mitschleppen. Die ganzen Altinternationalen zum Beispiel, die meinen, sie müssten zu allem und jedem ihren Kommentar abgeben.

Wie zu Ihrer Zeit auf Schalke.

Nicht nur auf Schalke, sondern bei allen Traditionsclubs hat man als Trainer damit zu kämpfen. In Hoffenheim gibt es das nicht. Wir müssen auf solche Traditionen keine Rücksicht nehmen. Wir konnten ein Funktionsteam nach Funktionen definieren und mussten keine Kompromisse eingehen bei den Entscheidungen.

Im Gegensatz zu dem, was Sie auf Schalke erlebt haben?

Wenn du mit deiner Mannschaft pro Spiel im Schnitt zwei Punkte holst, und du bist dann plötzlich nicht mehr Trainer, dann hat das mit Fußball nichts mehr zu tun. Sondern mit diesen Sachzwängen, denen du bei einem Verein wie Schalke automatisch ausgesetzt bist.

Was meinen Sie mit Sachzwängen?

Nehmen Sie in der Bundesliga Werder Bremen: Es ist kein Zufall, dass dieser Verein seit Jahren großen Erfolg hat. Da gelten keine Sachzwänge, da gibt es keine Machtstrukturen, die den Erfolg verhindern können. Denn der Erfolg steht in ursächlichem Zusammenhang mit der Einheit der handelnden Personen. In Bremen ist es völlig undenkbar, dass handelnde Personen etwa im Zusammenspiel mit Bild ihre eigenen politischen Interessen verfolgen. Und selbst wenn es in Bremen schlecht läuft, zum Beispiel nach einem 2:7 gegen Olympique Lyon in der Champions League, dann gehen sie dort völlig unaufgeregt wieder in den nächsten Arbeitstag, analysieren die Fehler – und dann geht’s weiter.

Sie vergleichen die TSG Hoffenheim mit Werder Bremen?

Ja, weil diese nach außen demonstrierte Einheit den entscheidenden Unterschied ausmacht. Und zwar vor allem dann, wenn es schlecht läuft, wie auch bei uns in Hoffenheim zu Beginn der Saison, wo wir nach vier Spieltagen auf dem vorletzten Tabellenplatz standen.

Hatten Sie in dieser Phase Angst vor Häme, sollten Sie das Ziel Aufstieg nicht erreichen?

Nein. Wenn man davor Angst hat, muss man am besten Deutschland gleich ganz verlassen.

Weil Häme in Deutschland Standard ist?

Häme und Neid gehören in diesem Land leider dazu. Aber Angst? Dann dürfte ich den Job nicht machen. Egal wo. Ob in der Bundesliga oder in der Regionalliga. Ich bin zwar nicht so naiv, zu sagen, es ist kein Risiko, von Schalke aus der Champions League ohne Not nach Hoffenheim zu gehen. Ich kann mich doch nicht hinstellen und sagen, ich habe eine 100-prozentige Garantie auf sportlichen Erfolg. Aber angesichts der Arbeitsbedingungen, des Betreuerstabs war ich von Anfang an in einer Situation, wo sportlicher Erfolg planbar ist. Wir haben mit Jan Schindelmeiser einen Manager geholt, der Erfahrungen in Augsburg, Berlin und Braunschweig gesammelt hat uns sich in der Szene auskennt. Mit Philipp Laux einen Torwarttrainer, der in Dortmund Bundesliga-Erfahrung gesammelt hat und als Student der Sportpsychologie auch noch andere Fähigkeiten einbringen kann. Mit Hans-Dieter Herrmann einen Sportpsychologen, auf den auch Jürgen Klinsmann bei der WM gesetzt hat und mit dem ich auch schon in Ulm zusammengearbeitet habe. Dazu mit Bernhard Peters einen Fachmann für Sport- und Nachwuchsförderung, mit dem ich mich ständig austausche und der neue Elemente in den Fußball einbringt. Dieses Kompetenzteam konnte ich mir selbst zusammenstellen.

Es klingt wie eine Wiederholung des Märchens von Ulm. Dort haben Sie den SSV ebenfalls in der Regionalliga übernommen und dann in die Bundesliga geführt.

Da war aber nichts planbar. Der Durchmarsch in die Bundesliga war nicht vorhersehbar. Jetzt, in Hoffenheim, gehen wir die Planung strategisch an.

Das hört sich an wie in einem Fußballlabor.

Nein: Der Begriff „Fußballlabor“ ist mir zu klinisch, ohne Bezug zu den Emotionen, die eine ganz entscheidende Rolle spielen. Und die auch im Verein gelebt werden. Nach 22 Pflichtspielen ging die gesamte Mannschaft noch mal drei Tage lang gemeinsam zum Skifahren. Das habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt.

In der Bundesliga wäre so etwas nicht denkbar?

Ach was. Stellen Sie sich mal bei einer Profimannschaft in der Ersten Liga vor, da würde jemand auf die Idee kommen und einen gemeinsamen Skiurlaub vor der Winterpause vorschlagen. Da würden alle sagen: Du hast sie ja wohl nicht mehr alle!

Je höher die Liga, desto egoistischer die Spieler?

Wir haben hier auch Leute, die Erste Liga gespielt haben. Aber es kommt darauf an, was du vorlebst. Wie man miteinander umgeht. Die Vereinsführung mit den Spielern. Die Spieler untereinander. Klar ist, dass die Störfaktoren in der Regionalliga geringer sind als in der Bundesliga. Und sollten wir Bundesliga spielen, müssen wir eben so aufgestellt sein, dass die dann sicher zunehmenden Störmanöver gegen uns, gegen den Verein, an den Spielern abprallen. Deshalb orientiere ich mich doch an Werder Bremen: Die Entscheidungsträger handeln und entscheiden immer zum Wohle der sportlichen Entwicklung des Clubs, weil sie nicht prätentiös und uneitel auftreten.

Eitelkeit im Fußball ist also … warum lachen Sie?

Ich lache, weil Eitelkeit natürlich absolut menschlich ist. Wenn es Probleme auf der Führungsetage gibt, dann unterscheidet sich in Bezug auf persönliche Eitelkeiten ein Bezirksliga-Club nicht von einem Bundesligisten.

Gut: Wo sind Sie eitel, Herr Rangnick?

Zum Beispiel, was das Äußere angeht.

Ihre Frisur, die Markenbrille.

Jetzt im Ernst: Jeder will zum Beispiel gerne gefragt werden, wenn im Verein eine Entscheidung ansteht. Das ist doch ganz klar. Wenn es um grundsätzliche Dinge des Vereins geht, muss ich Bescheid wissen. Und umgekehrt die anderen bei Entscheidungen, die ich treffe. Es ist eine sehr zufriedenstellende Erfahrung für mich, dass es uns bisher gelingt, die Entscheidungen auch jeden Tag aufs Neue zu diskutieren und mit Leben auszufüllen. Es war bei mir viel zu oft der Fall, dass ich bei vermeintlich unpopulären Maßnahmen sofort eine Strategie entwickeln musste, wie ich meine Entscheidungen anderen Leuten schonend beibringen kann.

Sie mussten zu viel Rücksicht nehmen in Ihrer Karriere?

Ja, weil ich oftmals auf den Trainer Rangnick reduziert wurde.

Was heißt „reduziert“?

„Reduziert“ heißt, dass du eine Mannschaft trainierst – und sonst nichts. Nur ein Beispiel: Auf Schalke haben sie ein riesengroßes Reha-Zentrum gebaut.

Und?

Darüber wurde weder mit mir noch mit meinem damaligen Co-Trainer Mirko Slomka geredet. Mit Ausnahme des Konditionstrainers wurde die sportliche Leitung bei den Planungen überhaupt nicht einbezogen.

Sie können in Hoffenheim professioneller arbeiten als bei einem Verein wie dem FC Schalke 04?

Ich weiß nicht, ob es dabei um Professionalität geht. Es gibt ja auch Fußballtrainer, die nur Trainer sein wollen – und der Rest interessiert sie nicht. Klar könnte ich auch sagen: Komm, halt einfach die Klappe, das geht dich nichts an, mach einfach nur deinen Job. Aber dann wäre es für mich bloße Arbeit. Für mich ist der Trainerberuf aber mehr. Da kann ich auch richtig unbequem werden, das gebe ich ja selbstkritisch gerne zu. Aber ich persönlich glaube, dass ich für einen Verein mehr an Potenzial mitbringen kann, als nur die erste Mannschaft zu trainieren.

Die TSG Hoffenheim bekommt nicht nur den Trainer Rangnick, sondern den ganzen Rangnick.

Meine Ausbildung, mein Studium, meine Erfahrungen: Es wäre einfach töricht für einen Verein, dieses Potenzial brachliegen zu lassen.

Verändert sich nicht gerade dieses Bild vom Trainer, der sich einzig und allein um die Mannschaft zu kümmern hat? Gerade mit dem, was Jürgen Klinsmann an Neuerungen eingeführt hat?

Das ist noch nicht ausgemacht. Es ist auch nach Klinsmann schon noch immer so, dass man einem Spieler, der 300 Bundesliga-Spiele und 50 Länderspiele vorzuweisen hat, von vornherein zutraut, ein guter Trainer zu sein. Ohne allerdings zu bedenken, dass Fußballspieler und Fußballtrainer zwei völlig unterschiedliche Berufe sind – und außer der Sportart nicht viel miteinander zu tun haben.

Und Klinsmann?

Sein Verdienst ist es, dass er erfolgreich vorgeführt hat, dass sportlicher Erfolg aus ganz vielen Faktoren besteht. Zum Beispiel das Hinzuziehen eines Sportpsychologen zur Leistungsoptimierung. Seit Klinsmann setzt man sich mit so einer Sache auch wirklich fachlich und praktisch auseinander – und bedient nicht mehr nur irgendwelche Klischees. So nach dem Motto: Trainer A legt Spieler B auf die Couch, und zwar weil Spieler B nicht richtig tickt.

Sie regt das richtig auf, oder?

Der Kopf und die Psyche spielen eine entscheidende Rolle bei allem, was Menschen tun. In nahezu allen anderen Sportarten ist das Hinzuziehen von Psychologen selbstverständlich. Und keiner kann mir erzählen, dass der deutsche Fußball die große Ausnahme sein soll.

Macht Sie das verrückt, wenn mit Klinsmann jetzt Entwicklungen möglich sind, die Sie schon immer angestrebt haben?

Ich kann darüber mittlerweile nur noch schmunzeln. Aber diese Geschichten sind für mich nicht mehr wichtig.

Was ist Ihnen wichtig?

Für mich ist wichtig, dass ich selbst mit einer gewissen Zufriedenheit und Überzeugung Entscheidungen treffen und mich dabei auf ein Team von hoher fachlicher Kompetenz stützen kann. Ob das andere für richtig halten, spielt jetzt keine große Rolle. Für mich spielt dagegen eine Rolle, dass ich jeden Tag sehr gerne ins Training gehe, dass ich mich auf die Arbeit freue mit den Spielern oder mit Leuten wie Jan Schindelmeiser, Jochen Rotthaus, Hans-Dieter Herrmann oder Bernhard Peters …

Ex-Hockey-Nationaltrainer, jetzt Berater der Fußball-Nationalmannschaft und Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung bei der TSG Hoffenheim …

… zusammenarbeiten kann, dass wir konstruktiv diskutieren, neue Möglichkeiten sondieren und aufgeschlossen sind für alles, was Mannschaft, Spieler und Verein weiterbringen kann und zur Leistungsoptimierung dient. Es ist für mich eben auch eigene Weiterbildung, da kann ich selbst noch viel dazulernen. Wenn du einfach nur Trainer bist innerhalb eines Vereins, dann besteht die Gefahr, dass du immer nur im eigenen Saft schmorst.

Vermissen Sie die Bereitschaft, etwas völlig Neues auszuprobieren?

Mit Neuerungen tun wir uns in Deutschland generell schwer. Etwas scheinbar Undenkbares zu machen: dafür sind wir Deutschen nicht gerade prädestiniert. Da will ich mich gar nicht ausnehmen. Die Fantasie, wirklich noch mal in die Regionalliga zu gehen, in einen Ort mit knapp 3.300 Einwohnern, hatte auch ich zunächst nicht aufgebracht, bis mich Dietmar Hopp überzeugt hat. In Deutschland halten wir eben gerne an Dingen fest, die uns vertraut sind. Und weil sie schon immer so waren, wie sie scheinbar gottgegeben sind. Das habe ich auch im Fußball schon oft genug erlebt.

Zum Beispiel?

In Ulm hat sich die Mannschaft immer in einem maroden Flachbau umgezogen – und nicht in der eigentlichen Heimkabine. Ich habe zunächst beim Verein und danach bei der Stadt Ulm nachgefragt: Warum können wir uns nicht in unserer Heimkabine umziehen? Weil es schon seit zwanzig Jahren so ist, war die lapidare Antwort.Was ist das für ein Argument? Und so ist es in vielen Bereichen. Unsere Rasenplätze im Sommer, zum Beispiel.

Die Rasenplätze?

Im Sommer, wenn unsere Sportplätze in allerbestem Zustand und gleichzeitig unsere Kinder während der Sommerferien nicht ausgelastet sind, genau in der Zeit sind die Fußballplätze gesperrt. Einfach nur, weil Ferien sind. Und wer sperrt die Plätze?

Sie wissen es, oder?

Irgendwelche Platzwarte oder Hausmeister. In meiner Heimatstadt Backnang bin ich damals bis zum Oberbürgermeister gegangen, um eine Änderung dieses Zustands zu erreichen. Das hat mit unserem Bürokratismus zu tun oder ganz einfach mit Machtausübung, weil irgendein wichtiger Beamter etwas völlig Unsinniges im Alleingang entscheiden kann. Wenn Sie mich fragen, wo ich an Grenzen gestoßen bin, dann waren das Menschen mit dem Totschlagargument „Das geht nicht, weil’s noch nie so war“! Diese Grenzen wollen wir in Hoffenheim sprengen und damit zeigen, was durch Kompetenz ohne Rücksicht auf Sachzwänge, sicher auch ausgestattet mit dem notwendigen Budget, möglich ist. Und dabei stellen wir uns den Gesetzmäßigkeiten des Geschäfts und lassen uns an unseren Zielvorgaben messen.

„ Angst? Dann darf ich den Job ... ... nicht machen. Egal wo.“