SPÄTKAUF: KURZ-VOR-SCHLUSS-GESCHENK-TIPPS AUS DER REDAKTION
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Schutzdach

Ein Knirps, ca. 38 Euro

Alle reden vom Wetter und niemand versteht es. Dabei gehorcht die Natur doch nur der Physik: Wenn die Temperatur dauernd um sechs Grad Celsius liegt, fällt kein Schnee, sondern Regen. Die Folge: Man wird nass. Noch eine Folge: Man bleibt zu Hause, lässt Schal und Mütze im Schrank, starrt den grauen Himmel an und ärgert sich. Auch an Weihnachten.

Aber das muss nicht sein. Schließlich gibt es einen Gegenstand, der einen schützt, egal ob es nun Katzen und Hunde schüttet oder rote Rosen nieselt. Um 800 herum soll er erfunden worden sein, der Regenschirm. Damals schickte ein Abt namens Alcuin von Tours dem Bischof Arno von Salzburg angeblich ein solches Präsent mit den Worten: „Ich sandte dir ein Schutzdach, damit es von deinem verehrungswürdigen Haupte den Regen abhalte.“ Im 18. Jahrhundert wurde eine regelrechte Mode daraus, vor allem im spaziergangsbegeisterten Bürgertum. Als besonders schön galten chinesische Exemplare, weil sie aus Bambusgestänge und zartem Ölpapier gefertigt waren.

Den größten Erfolg hatte indessen der zusammenlegbare Regenschirm, der 1928 von Hans Haupt aus Breslau entwickelt wurde. Der hauptberufliche Justiziar ließ sich sein Modell patentieren und nannte es fortan Knirps. Vor kurzem ist eine Limited Edition dieser Marke auf den Markt gekommen: Der X1 ist noch kleiner, noch teleskoparmiger, er bietet noch mehr UV-Schutz und besteht aus noch hochwertigerer Mikrofaser als überhaupt alle anderen Regenschirme dieser Welt. Wer mag, bekommt das kaum brillenetuigroße Teil sogar im Camouflage-Look. Damit er besser auffällt, zumal bei Regen. HARALD FRICKE

Luxusmuster

„Rococo“, herausgegeben von The Pepin Press, 17,50 Euro, erhältlich vor allem in Museumsbuchhandlungen

Zugegeben, etwas an diesem Geschenk ist fiktional. Wie nämlich soll die/der Beschenkte beschaffen sein? Große Lust am Basteln ist Voraussetzung, etwas Erfahrung in Bildbearbeitungsprogrammen sicher von Vorteil. Das Buch, das ich in Händen halte, heißt schlicht „Rococo“ und ist ein Musterbuch, das dem Überflüssigen und Luxuriösen vergangener Zeiten nachschmeckt. Seite für Seite wuchern die Girlanden, schlängeln sich Knospen und Blüten aus Bändern und Spitzenmustern. Was auf diesen Seiten wächst, trägt Früchte und Blüten zur gleichen Zeit und ist bereit, im unendlichen Rapport Fläche nach Fläche zu besetzen. Denn zum Buch gehört eine CD-ROM, mit der man die zwei- bis dreihundert Jahre alten Muster kopieren und weiterbearbeiten kann.

Früher habe ich die ganze Verwandtschaft mit DC-Fix-beklebten Zigarrenkisten eingedeckt, zum Aufbewahren von Stiften und anderem Krimskrams. Irgendwie scheint dieses Buch davon die Fortsetzung zu bilden. Schon damals hatten es mir die Muster angetan, die auf alten Stoffen und Tapeten rekurrierten, ein arts-and-craft-reservoir auf Abziehfolie. „Rococo“ ist nur eines der vielen Musterbücher historischer Stile, die der Amsterdamer Verlag Pepinpress herausgegeben hat, vor allem für ein Design-interessiertes Publikum. Dass sich im Begriff des Musters die kunsthandwerklichen Vorlagenbücher und das digitale Zeitalter des Kopierens und Sampelns überschneiden, gibt der Sache einen kleinen intellektuellen Kick. Die Schlingen und Kurven der Ornamente werden praktisch zu Loops, in denen sich die Zeiten übereinanderlegen.

Vielleicht muss man gar nicht wirklich mit dem Buch arbeiten. Vielleicht reicht es auch einfach, mit den Augen zu schmausen und sich vorzustellen, was alles möglich wäre.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Geschmacksnerv

Eierlikör, selbst gemacht in nur wenigen Minuten, keine 10 Euro

Nein, heute bitte keine Parfüms oder Bademäntel mehr kaufen, die kommen eh nicht an. Da gibt es etwas viel Besseres: ein Zaubergeschenk, das den Geschmacksnerv der Freunde trifft: selbst gemachter Eierlikör.

Für den süßen Tropfen stehen die meisten Zutaten bereits in der Küche: 125 g Puderzucker, ein Päckchen Vanillezucker, fünf Eigelb und eine große Dose Kondensmilch. Also nur noch schnell in die Apotheke flitzen wegen der nötigen 125 Milliliter Weingeist (96-prozentiger Alkohol). Nun Eigelb, Puder- und Vanillezucker einige Minuten mit dem Mixer schlagen und langsam Kondensmilch, dann den Weingeist dazugeben. Fertig ist die gelbe Alkoholsuppe. Ein passables Fläschchen findet sich gewiss im Altglashaufen, den Eierlikör hineingießen und zuletzt die Signatur auf den guten Tropfen setzen. Ein Tratschnachmittag samt Eierlikör – ein Geschenk, das mit Omas selbst gestrickten Socken konkurriert. Likörbanausen könnte man eher mit einem herberen Tropfen beglücken. Mit einer Flasche Whisky vielleicht. Empfehlenswert ist „The Balvenie, DoubleWood, aged 12 years“ (gut 30 Euro für 0,7 Liter) – er schmeckt voll, nussig, süß und zimtig, so richtig weihnachtlich und ist in jeder besseren Supermarkt-Alkoholabteilung zu kaufen. CAROLIN HOLZMEIER

Umschmeichelnd

Seidene Halstücher, ab ca. 70 Euro

Für den Fall, dass Ihr Geschenk einer Frau oder einem androgynen Mann gefallen soll, kaufen Sie ein Halstuch aus Seide. Das schmeichelt den Händen, fühlt sich am Hals wunderbar an und bringt, je mehr sich die Winterpullover- und -hemden auf Grau- und Brautöne zurückziehen, umso nötigere Farbe in Ihre Kleidung. Wenn Sie nun einwenden, ein Seidentuch müsse zwangsläufig mit Motiven aus der Pferdewelt – Hufeisen, Trensen, Sporen – aufwarten und deswegen seine Trägerin (oder seinen Träger) in eine Doppelgängerin der britischen Königin verwandeln, wie sie Helen Mirren demnächst so überzeugend in Stephen Frears’ Spielfilm „The Queen“ verkörpert, wenn Sie dies also einwenden wollen, dann schauen Sie nicht bei Hermès, sondern bei Kenzo oder Christian Lacroix. Da werden Sie Blüten, Ranken, zart ausfransende oder klar konturierte Farbflächen finden, dass es eine Lust ist. Und noch etwas ist bemerkenswert: Beim Seidentuch handelt es sich um ein paradoxes Accessoire, da es, der Sonnenbrille verwandt, eine Form des erschwinglichen Luxus darstellt. Denn anders als die Wollhose von Hermès, die leicht mit 1.500 Euro zu Buche schlägt und damit zumindest für taz-Redakteure und -Redakteurinnen außer Reichweite ist, beginnen die Preise für Designer-Seidentücher schon bei circa 70 Euro.

CRISTINA NORD

Fast unzerkratzt

Akrylregal, 114 Euro

Auch mal was Sperriges schenken. Zumal wenn man es selber schön findet und auch dringend nötig hätte. Aber jetzt ist Weihnachten, und die Freunde bzw. die nettesten davon sind dran. Womit wir auch schon beim Problem wären: Meine Freunde haben Bücher, sie lieben Bücher, aber die Präsentation derselben: holla, die Waldfee! Der Grund für die regelhafte Geschmacksentgleisung in Richtung helles Holz, weißes Holz, schwarzes Holz: Bücherregale sind scheißteuer, und flugs ist die freudvolle bildungsbürgerliche Selbstinszenierung in Zeiten des Prekariats kaputt-ikeat. Das lässt sich nun ändern.

Das Alte-Designer-Möbel-Lädchen in der Manteuffelstraße 95 in Berlin-Kreuzberg namens „Mr. Dice Furniture“ (samstags 13–16 Uhr) bietet wunderhübsche Akrylregale, 100 cm lang, zweistöckig, fast komplett unzerkratzt, für nur 114 Euro. Das hört sich zunächst viel an, ist aber für die Materialsorte spottbillig. Und Akrylregale sind toll, weil sie genau das tun, was sie sollen: Sie verschwinden fast in der Wand und hinterlassen nur einen leichten Schimmer am Bücherboden zurück.

Wem das zu kostspielig ist, der findet in dem Laden andere Accessoires: strenge Vasen zum Beispiel aus den, sagen wir, 60er-Jahren. O-Ton des Besitzers, der sich demnächst vergrößern möchte: „Vasen gehen mir besonders auf die Nerven. Das muss alles raus.“ Will heißen: Sie werden billiger – und dabei kein bisschen hässlicher. INES KAPPERT

Krebstiere

Ein Kilo Krabbenfleisch, ab 29,50 Euro

Eine Lehrstunde in Globalisierung: in Büsum direkt neben einem Krabbenkutter ein Krabbenbrötchen kaufen und dann kauend im Geiste den Weg zurückverfolgen, den die schmackhaften Krebstiere zurückgelegt haben. Vom Kutter geht’s mit ihnen nämlich direkt in den Laster, ab nach Marokko, wo sie in hygienisch gekachelten Hallen von flinken Händen gepult werden, dann zurück in den Laster und ab Richtung Büsum. Dass man, wie einst die Band Torfrock, hoch oben im deutschen Norden eine Frau namens Carola besingen kann – „ich hann dich in der Küch Krabben pulen sehen“ –, ist nicht mehr, der hohen deutschen Stundenlöhne wegen.

Unterm Weihnachtsbaum macht sich so ein Kiloblock Krabben aber immer noch toll (Tipp: entweder luftdicht verpackte Ware kaufen oder, wenn sie aus der Feinkostabteilung stammt, erst kurz vor der Bescherung aus dem Kühlschrank nehmen). Das Geschenk bietet zweierlei. Erstens einen Überraschungseffekt: mal echt was anderes als mal wieder so ein gutes Ding aus dem Manufactum-Katalog. Zweitens sind Krabben das beste Essen überhaupt. Nur: Nordseekrabben müssen es sein! Gegenüber den sogenannten Tiefseekrabben ist das ein Unterschied wie zwischen „Lolita“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, ehrlich. Und auf gar keinen Fall eine Cocktailsoße drüberkippen! Selbst in der Westerländer Friedrichstraße wird das inzwischen automatisch getan, wenn man nicht aufpasst. Was für eine Barbarei! Dabei ist es doch so einfach: Krabben auf Brötchen oder an Kartoffeln, vielleicht noch ganz wenig Zitronensaft dabei, fertig. Eine leckerere Delikatesse ist mir weltweit noch nicht untergekommen.

Und noch ein eigener Wunsch. Es wird in meinem Leben mal wieder Zeit, sich den „Bladerunner“ anzusehen. Wer einen Tipp hat, wie man an die NICHT-Director’s-Cut-Fassung (die mit dem Off-Kommentar!) kommen kann: bitte melden! Danke.

DIRK KNIPPHALS

Rote Liste

„Bedrohte Wörter“, Suchspiel für 0,00 Euro und Lexikon für 8,90 Euro

Ob es am Schmuggel oder der Jagd liegt, an der Klimakatastrophe oder am Abholzen der Tropenwälder, ist nicht genau zu sagen. In jedem Fall aber zählen nicht nur Tiere und Pflanzen zu den bedrohten Spezies dieser Erde. Nein, es gibt auch bedrohte Wörter, als da wären piesacken, pardauz oder Putzmacherin, um nur ein paar zu nennen. Das wissen wir, seitdem Bodo Mrozek ihre rote Liste erstellt hat; gerade in zweiter Lieferung (Bodo Mrozek, „Lexikon der bedrohten Wörter II“, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek bei Hamburg 2006, 192 Seiten, 8,90 Euro). Da auf dem Umschlag der Aufkleber „Bestseller“ prangt, dürfte man das Buch noch während der Anreise zum Weihnachtsfest in jeder Bahnhofsbuchhandlung erstehen können. Falls das nicht klappt, geht unser Vorschlag eh dahin, die Sache als reine Spielidee zu verschenken. Einfach Familie und Freunde auffordern, selten gebrauchte Wörter zu nennen und dann zu beratschlagen, ob sie wirklich bedroht sind. Das Schöne dabei ist: Indem man die Wörter sucht und nennt, erinnert und gebraucht man sie wieder. Unter Umständen bringt man sie erneut in Umlauf und kann sie von der Liste streichen. Gleichzeitig erfährt man, dass sich nicht jedes Wort wiederbeleben lässt, dass andererseits aber ständig Wörter neu entstehen. Das soll ja bei den Spezies von Fauna und Flora nicht viel anders sein. Aber bitte, es soll von der Katastrophe nicht abgelenkt werden. Wir wissen, für Weihnachen ist es viel zu warm.

BRIGITTE WERNEBURG

Hund befreien

Computerspiel, aus dem Internet in fünf Minuten, 9,22 Euro

Wer Freunde und etwas ältere Kinder mit dem zauberhaftesten tschechischen Produkt seit der Erfindung des Märchenfilms beglücken will, der greife zum Flash-Adventure-Game „Samorost2“. Greifen heißt hier: von der Webseite der Prager Designergruppe Amanita runterladen (www.samorost.net/samo rost2) und dafür 9,22 Euro zahlen, dann auf des Beschenkten Heimcomputer installieren. Zeitaufwand: fünf Minuten. Was im Anschluss geboten wird, ist kniffliger und tausendmal detailverliebter als „Supermarioland“, wundersam wie Wenzel Storchs Film „Reise zum Glück“ und so schön, dass es bereits Nominierungen für das Independent Game Festival 2007 gehagelt hat.

Die Geschichte: Der Hofhund eines kleinen Männchens mit weißer Zipfelmütze wird von Birnendieben entführt. Mission: mit dem Männchen den Hund befreien und sicher nach Haus zurückkehren. Diese Mission im Dosenraumschiff führt zu fernen Wurzelplaneten, zu schnarchenden Lufttaxifahrern, furzenden seekuhartigen, weggetretenen Gurus, knisternden Bambuswäldern und allerlei rostig quietschenden Höllenmaschinchen.

Das Tolle ist: Man kann nicht verlieren oder sterben. Die einzige Aufgabe auf jedem neuen Level ist: Wie geht’s hier weiter? Dazu muss man herausfinden, wo was anklickbar ist, sich bewegt, wecken lässt, etwas anstößt, öffnet, ansaugt oder ausspuckt. Was für ein Spaß, wenn man geschnallt hat, dass man das Loch in der Wasserleitung, aus der das merkwürdige Rüsseltier trinkt, erst stopfen muss, bevor man Wasser im Bottich beheizen kann, damit die Schnecke darin baden kommt, ihren Hammer fallen lässt, mit dem man dann den niedlichen Roboter andongt, der dann die Tür zur unterirdischen Räuberhöhle öffnet, wo dann … Dass in jeder Szene ganz eigene, superpassende kleine elektronische Musik läuft, macht „Samorost2“ nur noch besser. KIRSTEN RIESSELMANN

Kochessays

Siebecks Kochbuch, Verlag Eurocoultour, 480 Seiten, 38 Euro

Um am Weihnachtsessen noch etwas zu ändern, dafür dürfte es wohl schon zu spät sein. Was aber nicht dagegen spricht, die Neuausgabe von Wolfram Siebecks Kochbuch „Alle meine Rezepte“ zu verschenken, im Gegenteil: Dieses Buch funktioniert genauso gut als Essayband oder als Sammlung von Kurzgeschichten. „Mein Kochbuch einer verfeinerten mitteleuropäischen und mediterranen Küche“, hat Siebeck das Buch untertitelt und so verhält es sich auch, im Zweifelsfalle neigt er eher der französischen Kompliziertheit zu als der italienischen Simplizität, nicht allzu sehr allerdings.

Toll ist dieses Buch im Wesentlichen aus drei Gründen. Erstens sieht das abgebildete Essen genauso aus wie Essen und nicht wie mit Spezialspray zurechtgesteifte Seife. Für den modernen, durch alle Simulationen gegangenen Medienbürger ein wichtiges Argument. Zweitens steht dabei, welcher Wein zum jeweiligen Gericht passt – auch wichtig, denn Hand aufs Herz, das weiß man nie so genau, und bei diesen Dingen zu schludern, ist falsch verstandene Postmoderne. Und drittens schließlich die Gerichte selbst. Dieses Buch mag man selbst am zweiten Weihnachtsfeiertag noch lesen, wenn man vollgefressen auf dem Sofa liegt. TOBIAS RAPP