„Ereigniskarten vom Krieg“

KOLONIALISMUS Der Historiker Felix Axster über Hamburg als Zentrum kolonialer Bildproduktion

■ 43, forscht an der Technischen Universität Berlin. Demnächst erscheint sein Buch über Bildpostkarten im Kaiserreich.

taz: Herr Axster, was muss man sich unter einer kolonialen Postkarte vorstellen?

Felix Axster: Eine Postkarte mit einem Bild, das in irgendeiner Weise mit dem Kolonialismus in Zusammenhang steht – sei es ein Bild aus den deutschen Kolonien, sei eines von den hagenbeckschen Völkerschauen. Alle Bilder, die zu einer kolonialen Formierung der Gesellschaft, der Kultur beigetragen haben.

Waren das eher Ansichts- oder Propagandakarten?

Eher Ansichtskarten, aber auch Karikaturen und Witzpostkarten. Die Propagandafunktion dieser Karten wurde natürlich von kolonialen Akteuren gesehen. Die deutsche Kolonialgesellschaft fing an, selbst Postkarten herauszugeben, um den kolonialen Gedanken zu verbreiten und das Wissen über die Kolonien zu vermehren. Aber das war ein massenkulturelles Produkt, kein gesteuertes Phänomen.

Es war also ein Geschäft?

Es gab in Hamburg einige Verlage, die sich auf Karten mit Motiven aus den Kolonien spezialisiert hatten. Einer gehörte Franz Spenker, der Fotograf war und am Krieg gegen die Herero und Nama in Namibia teilgenommen hatte. Er reproduzierte seine Fotos als Postkarten. Das war ein Geschäft, aber er war auch dem Gedanken der kolonialen Bewegung verpflichtet.

Wie hoch waren die Auflagen?

Darüber wissen wir leider fast gar nichts. Man kann sich heute hauptsächlich an der Frage orientieren: Welche Karten tauchen wie oft wo auf? Im Deutschen Kaiserreich wurden um 1900 annähernd 500 Millionen Postkarten pro Jahr produziert. Da ist viel Wissen verloren gegangen.

Wurden auch Ansichtskarten aus den Kolonien nach Deutschland geschickt?

Auf jeden Fall. Die Ansichtskarte als Massenphänomen gibt es seit den 1890er-Jahren. Aber während des Krieges in Namibia wurden Millionen Feldpostkarten von der Front nach Deutschland geschickt: klassische Ansichtspostkarten aber auch sogenannte Ereigniskarten, wo das Kriegsgeschehen fotografisch dokumentiert wurde oder die Führer der Herero und Nama. Durch den Krieg gewann das eine besondere Dynamik – auch weil ja 14.000 Soldaten da unten waren. In den ersten beiden Jahren des Krieges wurden mehrere Millionen Feldpostsendungen nach Deutschland geschickt, davon waren wohl der Großteil Feldpostkarten.  INTERVIEW: KNÖ

Black Box II – das koloniale Hamburg und post-koloniale Bilder, Symposium der Hochschule für Bildende Künste (HFBK): 11 Uhr, Lerchenfeld 2