Besiegt durch eine rote Republik

MADRID taz | „Spanien dankt ab“, hieß es nur wenige Minuten nach der 2:0-Niederlage gegen Chile im Maracaná-Stadion auf der Internetseite der tonangebenden Sportzeitung AS. Vor der Verteidigung des neuen Königs Felipe VI. schied Spanien bereits in der Vorrunde aus. Es ist das Ende einer großen Epoche mit zwei EM- und einem WM-Titel. „Es war schön, solange es währte“, schreibt AS weiter und trifft damit die Stimmung eines ganzen Landes, nicht nur, da es um Sport geht.

Die Krise hat Spanien aus dem Traum des Wohlstands und der politischen Stabilität gerissen. Die großen Parteien verlieren immer mehr Stimmen, die Monarchie ist im Umfragetief. Nun schließt sich der Fußball allgemeinen Tendenz an.

„Am Tag, an dem Spanien den König austauscht, wurde die WM Zeuge, wie die Krone auf die schlechteste Art und Weise zum Waisenkind wurde. Besiegt durch eine rote Republik wie Chile“, heißt es bei der Internetzeitung publico.es. Das Spiel wurde für viele zum Synonym der Auseinandersetzung Monarchie (Spanien) gegen Republik (Chile).

Es ist diese Debatte, die das Land seit dem Abdanken von König Juan Carlos mehr beschäftigt als das WM-Turnier in Brasilien. Seit der Niederlage gegen Holland im ersten Spiel der Spanier waren nur noch wenige Nationalfahnen im Straßenbild zu sehen. Dass sie dieser Tage wieder öfter hergezeigt wurden, liegt an der Krönungszeremonie. Die Autoritäten haben die Bevölkerung dazu aufgerufen. Doch so mancher wollte dem nicht folgen und brachte eine ganz andere Fahne am Balkon an – die der von den Faschisten unter Francisco Franco bezwungenen zweiten spanischen Republik.

Das Innenministerium verbot dieses Emblem kurzerhand. Die Satirezeitschrift Mongolia notierte zum Fahnenkrieg und den Gefühlen, die mit diesem geweckt wurden, zutreffend: „Während der Krönungszeremonie sind chilenische Fahnen strikt verboten.“ REINER WANDLER