Kein grober Strick

ORTSTERMIN Hessnatur hat in Berlin erstmals seinen Design-Preis für ökologische Mode vergeben. Der „Humanity in Fashion Award“ ging an den Jungdesigner Janosch Mallwitz

Julia Knüpfer und Anja Umann spielen in ihren Kollektionen raffiniert mit den Vorbehalten gegen Öko

AUS BERLIN BRIGITTE WERNEBURG

Grober Strick beziehungsweise weich fallende, man könnt auch sagen, schlabbrige Stoffe in gedeckten Erdfarben von hellem Beige bis dunklem Braun – das kann nur Öko, aber nicht Mode sein.

Diese weithin geteilte Annahme macht es der Branche der Naturtextilienhersteller schwer, ihre Produkte bei einem breiteren Publikum durchzusetzen, vor allem aber eine junge Käuferschicht zu erreichen. Dabei sind gerade junge Konsumenten durchaus gewillt, ökologische Kriterien für ihre Kaufentscheidungen zu berücksichtigen. Vorausgesetzt, die Sachen sind nicht unerschwinglich und haben modischen Appeal.

Deshalb hat es sich nun Hessnatur, als eines der ältesten Ökolabels Branchenführer im deutschsprachigen Raum und in den USA, auf seine Fahnen geschrieben, den Konflikt zwischen Mode und ökologischer und fair produzierter Kleidung zu entschärfen. Kurz gesagt, liegt er darin, dass die modische Akzeptanz eines Kleidungsstücks seinen eigentlichen Wert darstellt, nicht aber das Kleidungsstück selbst und die Art und Weise, in der es produziert wurde.

Zunächst wurde der mallorquinische Designer Miguel Adrover dafür gewonnen, Werthaltigkeit von Kleidung und Fashion Design kurzzuschließen (taz vom 29. 5. 2010). Und jetzt, anlässlich der Berliner Fashion Week, wurde erstmals der Design-Preis für grüne Mode, der Humanity in Fashion Award verliehen.

Der künftig jährlich zu vergebende Förderpreis für JungdesignerInnern ist mit 25.00 Euro und einem Exklusivvertrag für eine Capsule Collection für Hessnatur dotiert. Dass es der Jury – Miguel Adrover, die Modejournalisten Alfons Kaiser, FAZ, Stefanie Schütte-Schneider, dpa, Enn Waller, Brigitte, und Stephan Schneider vom Modestudiengang an der Universität der Künste (UdK), Berlin – schwerfiel, zwischen den drei Finalisten Julia Knüpfer, Anja Umann und Janosch Mallwitz zu entscheiden, ist nachvollziehbar. Denn besonders Julia Knüpfer und Anja Umann spielen in ihren Kollektion raffiniert mit den Vorbehalten gegen Öko und nehmen ihnen so die Spitze.

Bei Julia Knüpfers Wollkleidern, Strickjacken, Pullovern oder Boleros etwa wäre der Begriff „grober Strick“ nachgerade ein Untertreibung. Denn ihre aus extrem weicher Wolle locker gestrickten Kleidungsteile durchziehen wiederum dicke Strickwürste, die sich verknoten und überlagern, wobei das Ganze am Ende eben nicht rustikal, sondern ausgesprochen feminin wirkt. Umgekehrt hat Anja Umann ihre schlabbrigen, also weichen, fließenden Stoffe in derart minimalistischen Schnitten verarbeitet, dass die Silhouette – unterstützt von der dunklen Farbgebung – schon wieder kantig und geschäftsmäßig wirkt. Als veganes Modellabel verzichtet Anja Umann auf jedes tierisches Material, sei es Wolle, Kaschmir, Seide, Leder oder Pelz.

Am Ende ging der Humanity Fashion Award aber an den Berliner UdK-Absolventen Janosch Mallwitz, dessen Kollektion einen deutlich Techno-Touch besitzt. Der maskuline Schnitt seiner Mäntel, Jacken, Hosen und wenigen Kleider, vor allem aber die durch Bienenwachs versteiften Stoffe mit ihren glänzenden Oberflächen widersprechen allen gängigen Klischees von Naturtextilien, und sind es – avantgardistisch gewendet – in ihrer Herstellung und Verarbeitung eben doch. Gänzlich unironisch und sehr entschieden verweigert sich Mallwitz’ Kollektion dem Bußgottesdienst des Konsumverzichts.

Denn das lehrt ja die persönliche Erfahrung, den moralischen, also ökologischen gegen den kulturellen, also modischen Mehrwert von Kleidung auszuspielen, verfängt nicht. Am Ende ist es nie das Gewissen, es ist die noch immer wirksame Verführung des langen, engen schwarzen Wollrocks von Azzedine Alaïa, für den man sich Anfang der 1980er Jahre verschuldete, die dazu führt, dass man 30 Jahre später, 2011, den Rock noch immer trägt – und dabei eine gute Figur macht.