Der Bürgermeister und der Burger-Brater

Die Gemeinde Geschendorf bei Lübeck will keinen McDonalds an der neuen Auffahrt zur Ostseeautobahn A 20. Sie will ihren Dorfkrug und die Umweltwerte ihrer Kläranlage schützen. Und Bürgermeister Kock will sich „nicht verscheißern“ lassen

„McDonalds wollen wir nicht. Da müssen wir gar keinen Wind drum machen“

Von Lisa Thormählen

Alles könnte so schön sein für Fischverkäufer Hans-Peter von Ohlen. Er ist Immobilienbesitzer, betreibt nebenberuflich eine Gaststätte und wäre gerne Franchiseunternehmer bei McDonalds. Investoren hat er bereits gefunden, einen Arzt und einen Ingenieur. „Der Standort ist auch perfekt“, sagt er.

Von Ohlen lebt in Geschendorf, auf halber Strecke zwischen Lübeck und der Kreisstadt Bad Segeberg. 2008 bekommt die Gemeinde einen Autobahnanschluss. Das 18 Kilometer lange Teilstück der Ostseeautobahn A 20 von Lübeck nach Westen ist seit zwei Jahren im Bau (siehe Kasten). Geschendorf hat dort gerade ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen, McDonalds könnte Steuereinnahmen und Arbeitsplätze bringen. Sagt von Ohlen. Sagt auch der Bürgermeister. Und lehnt trotzdem ab.

Fritz Kock mag seine Bürger. „Ich nehm’ die Menschen so wie sie sind“, sagt er. Gerade verkauft er Schweineschinken vom eigenen Hof an einen neuen Nachbarn. Er berechnet zu wenig. „Och, der Kleinkram. Das lassen wir mal.“ 1982 war Kock zum ersten Mal Bürgermeister der 508 Einwohner von Geschendorf, vier Jahre lang. Seit 1995 ist er ununterbrochen im Amt.

Geschendorf wächst. Seit Jahren werden freie Winkel bebaut. Viel Platz ist nicht mehr. Deshalb wird das Straßendorf immer länger. Jetzt kommt das Gewerbegebiet hinzu. „Wir wollen kein Schlafdorf sein“, sagt Kock. Zwischen den Einfamilienhäusern an der Dorfstraße liegen eine Sparkasse, eine Autowerkstätte und der Dorfkrug. Der „Lindenhof“ gehört der Gemeinde, von Ohlen hat ihn gepachtet. „Der Krug ist nicht ausgelastet. Es fehlen die jungen Leute“, sagt er. Deshalb wollte von Ohlen ein zweites Gewerbe aufmachen, eine McDonalds Filiale. Vor ein paar Jahren wollte er der Gemeinde den Lindenhof abkaufen. Die lehnte ab. Für das Dorf ist der Krug ein Erfolgsmodell.

Vor 26 Jahren stand auf dem Gelände noch eine Ruine. Einem Investor war das Geld für ein Hotel ausgegangen. Die Gemeinde kaufte das Grundstück und eröffnete den Lindenhof. Das war teurer als erwartet. „Mit der Renovierung haben wir eine halbe Million Mark ausgegeben“, sagt Kock.

Der Gemeinderat traf mit der Entscheidung auch auf Unverständnis. „Es ist nicht Aufgabe der Gemeinde, eine Gaststätte zu betreiben, haben alle gesagt“, erinnert sich der Bürgermeister. Das Projekt wurde trotzdem durchgezogen. „Und heute?“, triumphiert Fritz Kock. „Jede Gemeinde baut ein Gemeinschaftshaus. Da kriegen die kein Geld raus. Wir kriegen die Pacht. Das ist doch viel besser.“

Der Lindenhof ist längst nicht mehr nur Geschendorfs Zentrum. Die Leute kommen auch aus den umliegenden Dörfern. „Wir sind das Zentraldorf in der Gegend“, sagt der Bürgermeister stolz. Im Lindenhof finden die Weihnachtsfeiern, Hochzeiten, Seniorentreffen und Geburtstage der Region statt. Große Säle sind selten geworden auf den Dörfern. Geschendorf hat noch einen, sogar mit Tanzfläche und Bühne. Ein Wandbild mit Bauernhof sorgt für das ländliche Flair. „Das Essen ist auch gut. Der Wirt ist ja gelernter Koch“, sagt der Bürgermeister.

Fritz Kock hat noch nie gemacht, was andere von ihm verlangt haben. Der 66-Jährige hat ein künstliches Hüftgelenk. Er soll das linke Bein wenig belasten. Trotzdem versorgt er täglich 60 Schafe. Achtmal in der Woche ist er als Bürgermeister unterwegs. „Wir passen gegenseitig auf uns auf“, sagt er. „Wir sind ja alle aufeinander angewiesen. Da kann keiner verrückt spielen.“ So wie von Ohlen mit seinen Fastfood-Plänen.

„McDonalds wollen wir nicht“, sagt Kock. Damit ist das Thema erledigt. „Für uns ist das keine große Sache. Da müssen wir gar keinen Wind drum machen.“ Die neun Mitglieder des Gemeinderats wollen den Dorfkrug vor Konkurrenz schützen. Und Kock hat noch mehr Argumente. Den Verpackungsmüll zum Beispiel oder die Abwasserentsorgung. „Wir haben unsere eigenen Klärteiche. Die haben immer beste Werte, das lass ich mir doch nicht von McDonalds kaputt machen.“

„Die verstehen einfach nichts von Gastronomie“, kontert von Ohlen. Möglich. Aber Kock versteht etwas von seinem Dorf. „Das haben Sie gut gemacht“, sagten einige Bewohner nach der Entscheidung zu ihm. „Was sollen wir denn mit einem McDonalds?“, fragt Kock. „Die Steuern kriegen wir auch so.“

Der Gemeinderat hat einen neuen Deal aufgetan. Statt des Burger-Braters kommt eine Tankstelle mit Autowerkstatt. Ein Geschendorfer Automechaniker wird Pächter. „So erfüllen wir auch die Auflage der Landesregierung in Kiel, ortsübliches Gewerbe anzusiedeln.“ Fritz Kock grinst. Er ist gerne Bürgermeister. Und so schwer sei das auch gar nicht. „Ich lass’ mich eben nicht verscheißern.“