Gazprom erneuert den Erdgas-Krieg

Der russische Gasmonopolist droht Weißrussland mit Lieferstopp. Denn Minsk weigert sich, ab Januar das Vierfache des bisherigen Preises zu zahlen. Georgien hat sich erst gar nicht auf Druck eingelassen: Es kauft Gas aus Aserbaidschan

VON NICK REIMER

In Russland war gestern nicht Weihnachten, sondern Alltag. Dem russischen Energieriesen Gazprom schien angemessen, den letzten Dienstag des Jahres für eine letzte Drohung gegen Russlands Nachbarn zu nutzen: Sollte Weißrussland im Streit um die Gaspreiserhöhung nicht einlenken, werde man dem Land den Gashahn zudrehen. Verhandelt wird schon seit April.

Alle Jahre wieder: Weihnachten 2005 hatte Gazprom der Ukraine gedroht. Und Taten folgen lassen: Ab Neujahr waren die Leitungen Richtung Westen dicht. Das ließ auch hierzulande die Menschen bibbern, allerdings nicht vor Kälte wie in der Ukraine, sondern aus Angst vorm Ausbleiben des Gazprom-Gases.

Diesmal zitiert die russische Tageszeitung Kommersant Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow so: Der Konzern wolle durch die Verhandlungen mit Weißrussland die Versorgung jener Länder sicherstellen, die über weißrussische Transitpipelines beliefert würden. Kuprijanow: „Weißrussland gefährdet nicht nur seine Energieversorgung, wenn es geplanten Preiserhöhungen nicht zustimmt.“

Dabei geht es nicht um Peanuts. Nach dem Willen von Gazprom soll Minsk ab 1. Januar mehr als das Vierfache für russisches Gas zahlen: 200 Dollar statt bislang 46 Dollar für 1.000 Kubikmeter. Dies sei Teil der Konzernstrategie, die Gaspreise auch für ehemalige Sowjetrepubliken auf ein „Marktniveau“ anzuheben, sagte Kuprijanow. Betroffen sind neben Weißrussland auch Georgien und Moldawien. Den Weißrussen bleibt allerdings ein Teufel, mit dem sie gegen den Beelzebuben vorgehen können: Beltransgas. Sollte Minsk bereit sein, 50 Prozent der Aktien des staatlichen Gastransport-Konzerns an Gazprom zu verkaufen, reduziere sich der Preis 2007 auf 80 Dollar. Damit aber verlöre Minsk den letzten Trumpf gegen die Gazprom und würde nur ein Jahr Aufschub gewinnen. Die Weißrussen kennen das schon: Bei den letzten Verhandlung über steigende Energiepreise verpachtete Weißrussland 2005 den Grund und Boden der Jamal-Europa-Pipeline für 49 Jahre. Gazprom konnte so jene Kompressionsstationen reibungslos bauen, die zur 30-prozentigen Kapazitätssteigerung notwendig waren.

Auch diesmal erklärten die Minsker Despoten von Präsident Lukaschenkos Gnaden: Prinzipiell sei man bereit, auf das Beltransgas-Geschäft einzugehen. Allerdings für fünf Milliarden Dollar. Analysten bezeichnen den Preis als „astronomisch“. Sie glauben, Minsk versuche lediglich Zeit zu gewinnen. Gazprom ist allenfalls bereit, 600 Millionen zu zahlen. Nach eigenen Angaben füllt der Konzern seine Erdgasspeicher im Baltikum und in Deutschland derzeit auf – ein Hinweis, dass eine Eskalation mit Weißrussland vermutet wird.

Georgien hat sich darauf erst gar nicht eingelassen: Am ersten Weihnachtsfeiertag unterzeichnete Russlands Nachbar im Süden einen Liefervertrag über 1,1 Milliarden Kubikmetern Erdgas – für 235 Dollar je 1.000 Kubikmeter. Die Strategie der Georgier ist, kurzfristig den Lieferpartner zu wechseln. Der Haken allerdings: So viel billiger ist Aserbaidschans Erdgas auch nicht.

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